Nach dem gewonnenen Derby gegen Beşiktaş herrscht in Kadıköy riesige Freude. Möglich wurde dieser Sieg durch eine starke Mannschaftsleistung. Zwei Spieler sind dennoch hervorzuheben. Eine Analyse von LIGABlatt-Redakteur Benjamin Bruns.
Für viele Fans der "Kanarienvögel". dürfte es ein echter Schock gewesen sein, zu erfahren, dass Kapitän Emre Belözoğlu verletzungsbedingt das Derby gegen die "Schwarzen Adler" verpassen würde. Zwar hatte der 39-Jährige in den letzten Partien nicht mehr so überzeugt wie zu Beginn der Saison (hierfür scheint ebenfalls seine gesundheitliche Situation verantwortlich zu sein), doch das Spiel der Gelb-Blauen war trotzdem in der Regel auf ihn zugeschnitten. Fehlte Emre, fehlte in der Vergangenheit der Anführer, der das Spiel leitet, die Mannschaft ordnet, das Tempo bestimmt und die Stabilität zwischen Angriff und Abwehr sichert. Ausgerechnet im Derby wuchsen nun zwei Spieler in die Rolle der "Vertretungsleader" und führten ihr Team zum umjubelten Sieg.
Einer dieser beiden Anführer wurde unter anderem genau für diese Zusatzfunktion geholt. Luiz Gustavo ist nicht nur ein echter Kämpfer, sondern auch ein begnadeter Techniker und bringt zusätzlich das Selbstverständnis eines Leaders mit. Gegen Beşiktaş lieferte er nicht nur seine bisher beste Leistung ab, sondern war auch insgesamt bester Mann auf dem Platz. Immer wieder vereitelte er durch gut getimte Tacklings die Angriffsbemühungen des Gegners. Besonders hervorzuheben sind hier seine Aktionen vor dem 2:0 in der 32. und die Grätsche gegen Ljajic in der 54. Minute. Gleichzeitig kurbelte der Brasilianer immer wieder das Angriffsspiel an und lenkte das Spiel.
Ein Allrounder trumpft auf
Ihm zur Seite stand in dieser Partie allerdings auch ein kongenialer Partner. Einer, von dem man ein solch gutes Spiel vor der Saison nicht erwartet hätte. Ozan Tufan ist so etwas wie ein "verlorener Sohn" in Kadıköy. In der letzten Spielzeit war er noch in die Reserve verbannt und an den Ligarivalen Alanyaspor verliehen worden. Dann kam er zurück und seit der Vorbereitung zur aktuellen Saison ist er quasi nicht mehr wegzudenken aus der Startelf. Tufan spielt dabei immer dort, wo der Trainer ihn hinbeordert: Sechs, Acht, Neun, Zehn, rechter Verteidiger oder Rechtsaußen – der 24-Jährige zeigt vollen Einsatz. Gleichzeitig war er aber auch oft der Spieler, der augenscheinlich am meisten von Belözoğlu profitierte. Wieder und wieder stauchte der erfahrene Spielführer seinen jungen, ungestümen Nebenmann zusammen, bremste ihn oder gab ihm Anweisungen. Fehlte Emre, fehlte oft auch der regulierende Faktor. Tiefpunkt war dabei sicher die gelb-rote Karte wegen Meckerns gegen Sivasspor, die der junge Heißsporn nach Emres Auswechslung erhielt. Nun – ausgerechnet im hitzigen Derby – bewies Tufan, dass er gereift ist. Nicht nur auf der Sechs, sondern erneut sogar als Kapitän vertrat er seinen "Lehrmeister" mit vollem Erfolg. Tufan war überall zu finden, rackerte und kämpfte, behielt dabei aber seine Nerven im Zaum. Sein Treffer zum 2:0 war da die verdiente Krönung einer hervorragenden Leistung.
Zur ganzen Wahrheit gehört natürlich, dass auch Max Kruse als Spielmacher, Vedat Muriqi als Torjäger und Mauricio Isla als Antreiber großen Anteil an diesem 3:1-Erfolg haben und die Mannschaft insgesamt eine tolle Leistung bot. Die beiden zentralen Mittelfeldspieler sind an dieser Stelle trotzdem hervorzuheben, da sie offensiv wie defensiv das Spiel bestimmten. Dies soll auch ausdrücklich kein Plädoyer gegen Emre Belözoğlu sein, der seinen Wert für diese Mannschaft bereits oft auf beeindruckende Weise unter Beweis gestellt hat. Trotzdem wird es auch besonders Ersun Yanal freuen, dass er über ein Mittelfeldduo verfügt, das den fast 40-jährigen Anführer adäquat vertreten kann.