Die Winter-WM in Katar findet ohne die Türkei statt. Zwar ist das aufgrund des schwierigen Qualifikationswegs mit Portugal, Italien und Nordmazedonien keine riesige Überraschung, die Köpfe hängen dennoch natürlich aktuell. Nun richten Stefan Kuntz und sein Team den Blick auf die kommende EM. Klar ist, dass die Türkei ein neues Gesicht bekommen muss. Im ersten Teil wirft das LIGABlatt einen Blick auf das Führungspersonal.

Burak Yılmaz hat unmittelbar nach der Niederlage gegen Portugal und seinem verschossenen Elfmeter seinen Rücktritt erklärt. Dieser ist allerdings keineswegs eine übereilte Entscheidung, sondern auch wegen des Alters des Stürmers folgerichtig. Stefan Kuntz muss den 36-Jährigen allerdings nicht nur als Mittelstürmer und treffsichersten Spieler ersetzen, sondern auch als Führungsfigur. Die Türkei braucht einen Stamm, einen neuen Spielführer und eine Gruppe von erfahrenen Akteuren, die diesen unterstützt. Hier zeigt sich die Kehrseite, die der (völlig richtige und eigentlich alternativlose) Kuntz-Kurs mit sich bringt: Durch die Konzentration auf junge Spieler, ist das Angebot an erfahrenen Leadern sehr übersichtlich. Naheliegend wäre der Spielmacher. Alter, Erfahrung und Position prädestinieren Hakan Çalhanoğlu für die Rolle. Auch dass er deutschsprachig ist, wäre sicherlich kein Nachteil, um als Sprachrohr und erster Ansprechpartner für Stefan Kuntz zu fungieren. Zum Selbstverständnis des Mittelfeldspielers würde diese Rolle ebenfalls passen, hatte er sich doch bereits unter Şenol Güneş über seine Einsatzzeiten beschwert und ein besseres Standing gefordert. Beim Blick auf seine Anlagen und sein Talent hat er damit sicher recht. Das Problem ist, dass Çalhanoğlu in der Vergangenheit zu schwankend in seinen Leistungen war und dazu in vielen wichtigen Spielen eher abtauchte. Gemessen an seinem Können sind seine Auftritte im Nationaldress nicht gut genug. Will er der Fixpunkt in Rot und Weiß werden, muss er Beständigkeit in seine Leistungen bringen und als Anführer vorangehen. Es ist unstrittig, dass der 28-Jährige das kann. Gezeigt hat er das allerdings zu selten.

Erfahrene Stammspieler sind Mangelware

Dass Çalhanoğlu trotzdem der wahrscheinlichste Kapitän ist, liegt auch an den anderen Kandidaten. In der Vergangenheit war es oft einer der älteren Spieler, der als "Abi" den Ton angab und die jüngeren Spieler führte. Kuntz jedoch setzt vor allem auf junge Akteure. Die wenigen älteren und/oder erfahrenen Spieler, wie Caner Erkin, Serdar Aziz oder Kaan Ayhan haben keinen Stammplatz und können so keinen Einfluss auf dem Spielfeld nehmen. Die jüngeren Stammspieler wiederum haben nicht die notwendige Erfahrung oder sind zu unbeständig in ihren Leistungen. Torhüter Uğurcan Çakır oder Abwehrboss Çağlar Söyüncü sind sicherlich ebenfalls Kandidaten für die Binde, ob sie allerdings auch in der Nationalelf als Anführer vorangehen könnten, ist fraglich. Zumindest der Torwart kennt diese Rolle von seinem Verein, präsentiert sich bei "Milli Takım" allerdings deutlich zurückhaltender. Neben seinem Zehner, dem Torhüter und dem Abwehrchef wird Kuntz auch Stammkräfte wie Zeki Çelik, Cengiz Ünder oder Kerem Aktürkoğlu noch stärker in die Pflicht nehmen. Ob sich unter diesen Spielern oder sonst in der Mannschaft allerdings der neue Yılmaz befindet, kann nur der Trainer beurteilen. Von außen läuft alles auf Çalhanoğlu hinaus. Der gebürtige Mannheimer bringt alle notwendigen Voraussetzungen mit, muss dann allerdings an seiner Konstanz und Außendarstellung arbeiten.

Foto: Octavio Passos/Getty Images