Am Samstagabend traf im letzten Viertelfinale dieser EM die Türkei in Berlin auf die Niederlande. In einem dramatischen Spiel, in der die Türken sogar mit 1:0 durch Samet Akaydın in Führung gingen, zeigten die Niederländer letztlich ihre Effizienz vorm Tor und drehten die Partie zum 2:1. Eine tolle Schlussoffensive der Türkei änderte am Endergebnis nichts mehr. 

Im Vergleich zum Achtelfinale, in dem man Österreich mit 2:1 schlagen konnte, gab es personell drei Änderungen in der Startelf: Neben des wegen des im Österreich-Spiel gezeigten Wolfsgruß-Jubels gesperrten Merih Demiral rotierten auch Orkun Kökçü und İsmail Yüksek aus der Startaufstellung und an deren Stelle bekamen Samet Akaydin, Salih Özcan und der nach der Gelbsperre zurückkehrende Kapitän Hakan Çalhanoğlu ihre Chance.

Türkei mit sehr defensiver Grundausrichtung 

Während die Niederlande in einem Pressing-intensiven 4-2-3-1 begannen und vorne für Variabilität vor allem in den Halbräumen sorgen wollten, spielten die Türken in einem sehr defensiven 5-4-1-System, mit Barış Alper Yılmaz als falsche Neun und Arda Güler sowie Kenan Yıldız als inverse Außenspieler. Das Resultat war, dass die Niederländer das Spiel zu Beginn kontrollierten, nach etwa 15 Minuten kamen die Türken immer besser hinein sorgten allmählich für Gefahr. In der 35. Spielminute sorgte man dann für eine akustische Explosion im Berliner Olympiastadion.

Samet Akaydın mit dem türkischen 1:0 

Nach einer Ecke von links köpfte van Dijk den Ball nicht kontrolliert aus dem niederländischen Strafraum raus, an dessen Rand Arda Güler lauerte. Dass der 19-Jährige über einen linken Zauberfuß verfügt, war gemeinhin bekannt, aber auch in seinem rechten schlummert ein tolles Ballgefühl. So flankte der Real-Madrid-Spieler die Kugel vom rechten Strafraumeck auf den langen Pfosten, wo Samet Akaydin am höchsten stieg und zum umjubelten 1:0 für die Türkei einköpfte. Für Arda Güler war es nach seinem Traumtor gegen Georgien und seinen beiden Assists gegen Österreich bereits die vierte Torbeteiligung im Turnier.

Nach Akaydıns Kopfballtreffer konzentrierte man sich wieder vornehmlich aufs Verteidigen und machte das auch sehr gut. Auch wenn die Niederländer einiges versuchten, kamen sie nicht mehr zu kontrollierten Abschlüssen, weshalb es mit der knappen Führung für die Türkei in die die Halbzeitpause ging.

Druck aufs türkische Tor wird größer 

In der zweiten Hälfte gab erwartungsgemäß vor allem Oranje den Ton an. Nach der Hereinnahme von Wout Weghorst wurde es auch spürbar gefährlicher im türkischen Strafraum, doch man verteidigte weiterhin leidenschaftlich. Die qualitativ größte Chance in der Frühphase der zweiten Halbzeit hatten allerdings die Türken in Person vom starken Arda Güler, der in der 55. Spielminute einen raffinierten Freistoß an den Pfosten setzte. Zehn Minuten später scheiterte Kenan Yıldız aus der zweiten Reihe am gut reagierenden Bart Verbruggen.

1:1 durch Stefan de Vrij 

Auch wenn die Türkei gut verteidigte, näherten sich die Niederländer dem 1:1 immer näher an und in der 70. Spielminute war es dann soweit: Nach einer Eckballvariante von rechts brachte Memphis Depay den Ball hoch in den Strafraum, wo der einlaufende Stefan de Vrij völlig frei zum Kopfball kam und so den Ausgleich erzielte. Kenan Yıldız war hier seiner Bewacher-Rolle nicht nachgekommen und hatte sich zu weit vom Torschützen entfernt.

Oranje erhöht auf 2:1 

Ein Unglück kommt selten allein: Keine sechs Minuten später kam es vorm türkischen Strafraum zu einer klatsch-Steil-Kombination der Niederlande, wo Weghorst auf Xavi ablegte, der mit einem cleveren Dumfries in der Schnittstelle bediente, der wiederum einen tollen flachen Ball auf den langen Pfosten spielte, wo Cody Gakpo lauerte. Mert Müldür reagierte völlig überrascht und im Kampf um den Ball berührten beide Spieler die Kugel, die danach aufreizend langsam über die Torlinie kullerte.

Türkische Schlussoffensive ändert nichts mehr 

Die Türken warfen noch einmal alles nach vorne und Vincenzo Montella brachte unter anderem Cenk Tosun, Zeki Çelik und Kerem Aktürkoğlu in die Partie. Çelik und Aktürkoğlu hatten in der 85. Spielminute sogar noch eine gefährliche Doppelchance, die von den leidenschaftlich verteidigen Abwehrspielern der "Elftal" allerdings geblockt wurde.

Semih Kılıçsoy hatte in der Nachspielzeit noch eine weitere hochkarätige Chance, doch Bart Verbruggen parierte herausragend. Zu einer weiteren Torchance sollte es nicht mehr kommen, was den Knappen 2:1-Sieg für die Niederlande bedeutete, die im Halbfinale auf England treffen. Der EM-Traum der Türken kommt damit zu einem jähen Ende.

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