Durch einen späten Füllkrug-Kopfball konnte sich die deutsche Nationalmannschaft gegen die Schweiz noch das 1:1 und damit den Gruppensieg sichern, dabei hatte man lange zurückgelegen und sich an der "Nati" ordentlich die Zähne ausgebissen. Man spürte, dass es an der Leichtigkeit aus den vergangenen beiden EM-Spielen mangelte und einige DFB-Kicker nicht ihren besten Tag erwischt hatten. Die Leistungen der deutschen Nationalmannschaft hier nun in der Einzelkritik.
Manuel Neuer:
Wie schon gegen Schottland war Manuel Neuer auch gegen die Schweiz kaum gefordert und konnte sich nur selten auszeichnen. Beim 0:1 traf den 38-Jährigen allerdings keine Schuld. Im Spielaufbau der Deutschen mangelte es Neuer etwas an der gewohnten Präzision vergangener Tage und seine langen Bälle fanden zu selten ihren Abnehmer. In der 88. Spielminute parierte der Münchner dann doch noch einen klasse Weitschuss von Granit Xhaka, der das 0:2 und damit die sichere Niederlage für Deutschland bedeutet hätte. (Note: 2,5)
Maximilian Mittelstädt:
Der Stuttgarter findet immer besser in das Turnier und wird zunehmend mehr ins Spiel der deutschen Mannschaft eingebunden. Die meisten deutschen Angriffe der ersten Hälfte liefen über links und das lag vor allem an Mittelstädts Offensivbemühungen. Dennoch mangelte es dem 27-Jährigen etwas an Dynamik und Spritzigkeit und da Nationaltrainer Julian Nagelsmann mehr auf hohe Flanken setzen wollte, wurde Mittelstädt dann in der 61. Spielminute durch den in dieser Disziplin etwas besseren David Raum ersetzt. (Note: 2,5)
Jonathan Tah:
Der Leverkusener, der bislang wie ein Fels in der deutschen Abwehr gestanden hatte, machte gegen die Schweiz sein mit Abstand schwächstes Spiel: So kam er beim 0:1 durch seinen Gegenspieler Ndoye zu spät, wurde mehrmals überlaufen und holte sich in der 38. Spielminute eine völlig unnötige Gelbe Karte ab, dank der Jonathan Tah Deutschland im Achtelfinale fehlen wird. In der 61. Spielminute wurde der Innenverteidiger dann durch Nico Schlotterbeck ersetzt, der den 28-Jährigen wohl auch in der Runde der letzten 16 vertreten wird. (Note: 4,5)
Antonio Rüdiger:
Ähnlich wie sein Nebenmann Tah hatte auch Rüdiger nicht den besten Tag erwischt und zeigte sich beim schnellen Umschaltspiel der Schweizer anfällig. Insgesamt schien sich beim Abwehrspieler von Real Madrid wieder der altbekannte Schlendrian eingeschlichen zu haben, wonach Antonio Rüder im Dress der DFB-Elf einfach zu oft Unachtsamkeiten unterlaufen. So reagierte der 31-Jährige zu spät und unterband die Flanke nicht, die zum 0:1 führte. Bei einem völlig freistehenden Kopfball hingegen versäumte Rüdiger es, den Ausgleich zu erzielen. Dennoch zeigte sich der gebürtige Berliner bemüht und trieb seine Mitspieler an. (Note: 4)
Joshua Kimmich:
Gegen Ungarn hatte der Münchner noch zu den Besten gezählt, an diesem Abend jedoch tat auch er sich schwer. Anders als Maximilian Mittelstädt auf der linken Seite war Joshua Kimmich selten in gefährlichen Situationen vorne zu finden. Dafür leitete der 29-Jährige einige Angriffe durch lange Bälle von hinten ein. Defensiv ließ sich der Rechtsverteidiger allerdings mehrfach überspielen, wodurch sein mangelndes Tempo auffiel. Je länger das Spiel ging, desto besser fand Kimmich ins Spiel. (Note: 3)
Toni Kroos:
Wieder einmal war Kroos der Dreh- und Angelpunkt im deutschen Spiel und spielte über 100 Pässe, von denen 92% ihren Abnehmer fanden. Dennoch konnte der 34-Jährige nicht so sehr schalten und walten wie noch in den ersten beiden Gruppenspielen. Dafür zeigte Kroos große Führungsqualitäten, indem er vor allem auch im Spiel gegen den Ball und in den Zweikämpfen robust auftrat und und über 80% seiner direkten Duelle gewann. Ansonsten leitete Kroos wieder einmal mehrere Angriffe ein und sorgte damit indirekt für Gefahr. (Note: 2)
Robert Andrich:
Als defensiverer Part auf der deutschen Doppelsechs machte Andrich eigentlich eine gute Partie und war sehr proaktiv ins deutsche Spiel eingebunden. Am Ball beruhigend, gegen den Ball robust aber nicht unfair sorgte der Leverkusener für Stabilität. Fast hätte Andrich seinen Auftritt durch seinen ersten Länderspieltreffer gekrönt, doch wurde dieses durch VAR-Überprüfung wegen eines vermeintlichen Foulspiels zuvor aberkannt. Allerdings hatte der 29-Jährige auch seine Probleme mit seinen flinken schweizerischen Gegenspielern, wenn diese einmal Tempo aufnahmen. Um für mehr Offensivgefahr zu sorgen, ersetzte Julian Nagelsmann Robert Andrich dann in der 65. Spielminute durch Angreifer Maximilian Beier. (Note: 2,5)
Florian Wirtz:
Gegen Ungarn noch eher unauffällig zeigte Wirtz im Spiel gegen die Schweiz eine deutliche Leistungssteigerung. Der 21-Jährige war praktisch auf dem ganzen Platz zu finden, leitete mit guten Pässen oder geschickten Dribblings Angriffe ein, oder eroberte tief in der eigenen Hälfte selbst Bälle zurück. Da die Deutschen allgemein zu oft am Defensivbollwerk der Schweiz hängen blieb, brachten die Bemühungen des Leverkuseners letztlich auch nichts Zählbares ein, dennoch vermittelte er stets den Eindruck, noch einmal für einen genialen Moment sorgen zu können. Nach 76 gespielten Minuten war dann aber trotzdem Schluss und Leroy Sané kam für Florian Wirtz in die Partie. (Note: 2)
İlkay Gündoğan:
Der bis dahin vielleicht beste Spieler des Turniers konnte seine starken Leistungen aus den ersten beiden Begegnungen gegen die Schweiz jedoch nicht ganz konservieren und blieb häufig an seinen Gegenspielern hängen. Dennoch machte der 33-Jährige erneut ordentlich Meter und ging als Antreiber voran. Vor allem nach hinten hinaus wurde Gündoğan immer stärker, hatte selbst Chancen und leitete das 1:1 durch Niclas Füllkrug mit einem eröffnenden Pass auf Vorlagengeber David Raum ein. (Note: 2,5)
Jamal Musiala:
Der deutsche Fanliebling, der nicht nur wegen seiner beiden Tore aus den ersten beiden Spielen bis dahin eine so tolle EM gespielt hatte, verfiel im dritten Spiel leider ein wenig in alte Muster. So dribbelte sich Musiala zwar oftmals erfolgreich durch gleich mehrere Gegenspieler durch, wurde dann aber meist zu hektisch und verstolperte entweder den Ball oder entschied sich für ein nicht immer sauberes Abspiel wo ein eigener Abschluss die wohl bessere Entscheidung gewesen wäre. Dennoch zeigte der 21-Jährige erneut, dass er nicht grundlos derzeit als einer der vielversprechendsten jungen Fußballer der Welt gilt. Um für mehr Kopfballgefahr zu sorgen, wurde Jamal Musiala letztlich in der 76. Spielminute durch Niclas Füllkrug ersetzt. (Note: 2,5)
Kai Havertz:
Der Arsenal-Angreifer zeigte eine fast identische Vorstellung wie jene im Ungarn-Spiel. Das bedeutet, dass sich Havertz unfassbar bemüht zeigte, oft Tiefenläufe startete, sich auch mal fallen ließ, um im Aufbauspiel mitzuwirken und seine Gegenspieler in Zweikämpfe verwickelte. Dabei mangelte es dem 25-Jährigen erneut am Spielglück und die Chancen, die er meist per Kopf hatte, wollten einfach nicht reingehen. Gegen tiefstehende Gegner mag der "klassischere Mittelstürmer", Niclas Füllkrug in Zukunft vielleicht die geeignetere Variante zu sein als der technisch versiertere Havertz. (Note: 3)
David Raum (ab Spielminute 61):
Mit der Einwechslung des Leipzigers änderte sich sofort die Statik im Spiel. Waren die Deutschen bis dahin noch auffällig behäbig gewesen, brachte David Raum dringend benötigte Dynamik auf das Feld, das sich nach nur wenigen Minuten durch einen gefährlichen Weitschuss äußerte. Nach Raums Einwechslung wirkte die DFB-Auswahl deutlich wacher, aktiver und zielstrebiger, wodurch sich auch der Druck auf die Schweizer Abwehr erhöhte. In der zweiten Minute der Nachspielzeit war es dann auch David Raum, der seinem Arbeitsauftrag beispielhaft nachkam, indem er eine punktgenaue Flanke auf Mittelstürmer Niclas Füllkrug schlug, der sehenswert zum 1:1-Endstand einnickte. (Note: 1,5)
Nico Schlotterbeck (ab Spielminute 61):
Als Ersatz für den im Achtelfinale gesperrten Stamm-Innenverteidiger Jonathan Tah gekommen, machte der Dortmunder seine Sache richtig gut, wirkte unaufgeregt, spielte eröffnende Bälle und machte keine Leichtsinnsfehler. Insgesamt gliederte sich Schlotterbeck gut ins deutsche Spiel ein und wirkte nicht wie ein möglicher Schwachpunkt in der DFB-Abwehr. (Note: 2,5)
Maximilian Beier (ab Spielminute 65):
Der Hoffenheimer sollte im deutschen Spiel für mehr Dynamik sorgen und seine Gegenspieler beschäftigen. Auch wenn Beier selbst nur selten durch klare Offensivaktionen ins Spielgeschehen eingriff, spielte Deutschland nach seiner Einwechslung im Angriff spürbar besser. In der 70. Spielminute wurde Maximilian Beier im gegnerischen Strafraum geklammert und zu Fall gebracht, doch der Schiedsrichter wollte sich die Szene nicht noch einmal ansehen, weshalb es den möglichen Elfmeter nicht gab. (Note: 3)
Leroy Sané (ab Spielminute 76):
Es scheint einfach nicht das Turnier des Münchner Dribbelkünstlers zu sein. Auch in seiner dritten Einwechslung im dritten Spiel wirkte Sané mehr wie ein Fremdkörper als wie ein Mitspieler. Auch wenn der 28-Jährige offensichtlich wollte, traf er erneut in zu vielen Momenten die falsche Entscheidung und konnte so seine Qualitäten nicht auf den Platz bringen. Man merkt leider, dass Sané seit Monaten nicht ganz fit ist. (Note: 4)
Niclas Füllkrug (ab Spielminute 76):
Er kam, er sah, er traf! Wie schon gegen Schottland wurde der Dortmunder in der Schlussphase eingewechselt und machte prompt sein Tor. Hier war es nun das erlösende 1:1 gegen die Schweiz, als sich Füllkrug in der zweiten Minute der Nachspielzeit mit einem tollen Kopfball durchsetzte und seinen zweiten Turniertreffer erzielte. Mit nun 13 Toren und vier Vorlagen in 19 Länderspielen baute der 31-Jährige seine sensationelle Torquote im DFB-Dress aus. Kurz vor Schluss klärte Füllkrug tatsächlich noch eine Chance der Schweizer und leitete einen deutschen Konter ein, den Leroy Sané allerdings unglücklich verstolperte. (Note: 1,5)
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