Los geht es zum Auftakt der vielversprechenden Serie "Fan vs. Experte" mit LIGABlatt-Kolumnist Knut Kircher und unserem "Fußballwelt"-Redakteur Niklas Saess! Viel wurde geschrieben über die von der UEFA neu installierte "Nations League". Während Liga-Funktionäre wie Karl-Heinz Rummenigge ("Keiner braucht die Nations League") oder Hans-Joachim Watzke ("Wir haben genug Wettbewerbe") eine klar kritische Stellung beziehen, freut sich Bundestrainer Joachim Löw auf interessante Begegnungen: "Es ist super interessant, Niederlande und Frankreich, das sind Nachbarländer mit großer Fußball-Kultur und langer Fußball-Geschichte. Das sind für die Fans und uns alle interessante Spiele."
Und genau hier wollen wir einmal ansetzen: "Für die Fans interessante Spiele". Ist das so? Der Grundgedanke, die in den letzten Jahren so in Verruf geratenen Freundschaftsspiele auf Nationalmannschaftsebene zu ersetzen, ist kein falscher. Wenn man an das Interesse des Kölner Publikums am Testspiel gegen Frankreich denkt, für das bis zuletzt noch verzweifelt Ticket-Abnehmer gesucht wurden, war das Ende der Freundschaftskick-Fahnenstange längst erreicht.
Doch ist die Nations League die Lösung dieses Problems? Oder wird diese aus rein kommerziellen Gesichtspunkten eingeführt? Ein offizieller Wettbewerb lässt sich natürlich besser vermarkten als ein x-beliebiges Testspiel: Fernsehgelder werden eingenommen, hohe Ticketpreise erscheinen gerechtfertigt und um dem ganzen auch noch einen sportlich-spannenden Anreiz zu geben hängt man noch vier EM-Qualifikationstickets für die jeweiligen Sieger mit dran.
Tropft es noch oder läuft das Fass über?
Die Begeisterung, die einst Millionen vor die Bildschirme und zigtausend in die Stadien führte, kippt allmählich. Früher hatten Länderspiel-Klassiker wie Deutschland-Frankreich, Deutschland-Niederlande oder Deutschland-England einen Stellenwert, der völlig losgelöst vom Rahmen des Spiels war. Ob als Testspiel, in der Qualifikation zu einem großen Turnier oder bei einer Endrunde selbst: Es wurde mitgefiebert, gelitten, geflucht und enthusiastisch gefeiert.
Und warum hatten diese Spiele diesen Stellenwert? Weil es sie eben nicht dreimal im Jahr gab. Eine Niederlage gegen den Erzrivalen war schwerer zu verkraften, da eine mögliche Revanche eben nicht schon fünf Monate später möglich war. Und mit einem Sieg konnte im nächsten Holland-Urlaub fröhlich gefeixt und mit einem kühlen Heineken angestoßen werden.
Doch machen wir uns nichts vor: Diese Zeiten sind vorbei. Die Exklusivität, das Besondere des einzelnen Spiels geht mehr und mehr verloren. Die Kuh wird gemolken, bis sie keine Milch mehr geben kann – oder will. Am gestrigen Abend lief zum dritten Mal in diesem Jahr und zum fünften Mal in dieser Saison die Begegnung Arsenal-Chelsea. Und wissen Sie was? Das RTL-Alternativprogramm mit "Bachelor" und "Dschungel" erschien plötzlich attraktiv.
Nun hat der Ottonormal-Fußballfan das Londoner Derby natürlich dennoch geschaut. Und er wird auch die Nations League gucken, da beißt die Maus keinen Faden ab. Was fehlen wird ist die einstige Begeisterung, das Funkeln in den Augen eines jungen Fans, die Emotionen auf den Rängen. Stattdessen wird die Stille nur durch die eigens für die Nations League aufgenommene Hymne unterbrochen: Eine Mischung aus klassischen Komponenten und elektronischer Musik, dazu lateinische Sprache. Ist das alles noch unser Fußball?
Nun die Expertenmeinung: Was sagt Ex-Referee Knut Kircher zur Nations League?
Zwei Aspekte zur Nations League: Zum einen wird es den Nationalmannschaften helfen, mehr Spielpraxis zu erlangen, ihre Stammformationen zu finden, mehr neue Spieler zu testen. Könnte das Niveau der Nationalmannschaften in Europa etwas anheben, Unterschiede geringer machen, so dass kein ganz kleiner David gegen einen ganz großen Goliath mehr spielt.
Die andere Seite der Medaille ist aber, noch mehr Fußball im Fernsehen und Zuschauer in den Stadien, eventuell nicht mehr ganz ausverkauft, neben einem bereits schon breit gefächerten Angebot an Fußball die Woche über. Da freute ich mich zumindest immer über diese Wochen, wenn kein internationaler Fussball geboten wurde, da war etwas Normalität und auch aktive Ruhe angesagt und ich konnte mich auf die einzelnen Highlights freuen, die wie Weihnachten nicht so oft auftauchten.
Zum anderen haben die Spieler weniger Regeneration und die Schiedsrichter ebenso, ständiges Reisen strengt an, ist nicht förderlich zum Abrufen von Höchstleistung. Die Frage bleibt, was passiert dann, spielt dann wirklich Deutschland 1 gegen England 1 oder ist es Deutschland 2 gegen England 2?
Momentan fehlt mir der wirkliche Sinn aus sportlicher Sicht, aber vielleicht werde ich ja noch eines Besseren belehrt und warte einfach mal ab, wie es angenommen wird.