Am Mittwochabend traf die Türkei im dritten Gruppenspiel der EM auf Tschechien. Den Türken reichte ein Unentschieden, um Platz zwei in der Gruppe zu sichern und lange sah es auch danach aus, ehe der eingewechselte Routinier Cenk Tosun sich noch einmal ein Herz fasste und in der Nachspielzeit das 2:1 für die Türkei erzielte.
Verglichen mit der 0:3-Niederlage gegen Portugal ließ der türkische Nationaltrainer Vincenzo Montella gleich siebenmal wechseln. So kehrte der wieder genesene Mert Günok wieder für den unglücklichen Altay Bayındır zurück zwischen die Pfosten, während im Feld Merih Demiral, Mert Müldür, İsmail Yüksek, Salih Özcan, Kenan Yıldız und Arda Güler für Abdülkerim Bardakcı, Zeki Çelik, Kaan Ayhan, Kerem Aktürkoğlu, Orkun Kökçü und Yunus Akgün ran durften.
Kontrollierter Beginn der Türkei
Nach einem Druckvollen Beginn der Tschechen, die gewinnen mussten, um eine Chance aufs Achtelfinale zu wahren, übernahmen bald die technisch besseren Türken die Spielkontrolle. Dem Team von Vincenzo Montella reichte ein Unentschieden, um als Gruppenzweiter gesichert die Runde der letzten 16 zu erreichen. Bei einem Sieg würde man ebenfalls nur zweiter sein, da man den direkten Vergleich gegen Portugal verloren hatte. Aufgrund dieser Ausgangslage spielte man zwar kontrolliert aber nicht risikobehaftet ließ noch nicht das größte Feuerwerk vom Stapel.
Tschechien ab der 20. Spielminute in Unterzahl
Dennoch war die Leistung im Vergleich zum Portugalspiel deutlich verbessert. Vor allem der zurück in der Startelf stehende Arda Güler machte ein gutes Spiel, zeigte sich beweglich, wurde viel angespielt und leitete Offensivaktionen ein. Die Spielkontrolle der Türken wurde noch größer, nachdem der Tscheche Antonín Barák bereits in der 20. Spielminute die Ampelkarte sah und vom Platz gestellt wurde. Kurz darauf hatte die Türkei Glück, dass Kenan Yıldız nach einem gefährlichen Ellenbogeneinsatz nicht ebenfalls Gelb-Rot sah.
Mert Günok sichert das 0:0 zur Pause
Auch wenn die Türken den Ton angaben, waren große Chancen Mangelware. Die beste Gelegenheit der ersten Hälfte hatten tatsächlich die in Unterzahl spielenden Tschechen in Person von David Jurásek, doch Mert Günok passte auf und parierte den Schuss des Hoffenheimers. Da ansonsten nichts weiteres mehr passierte, ging es mit einem 0:0 in die Halbzeitpause.
Hakan Çalhanoğlu mit dem 1:0
Die zweite Spielhälfte begann für die Türkei wie nach Maß: In der 51. Spielminute setzte sich Barış Alper Yılmaz am rechten Flügel gegen mehrere Gegenspieler durch und brachte den Ball nach innen. Dort bekamen die Tschechen das Leder nicht geklärt, bis İsmail Yüksek auf den links im Strafraum lauernden Kapitän Hakan Çalhanoğlu ablegte, der in seinem einstigen Heimatstadion die Kugel mit Vollspann zum 1:0 ins lange Eck ballerte. Bitter für Tschechien war anschließend der Ausfall vom starken Schlussmann Jindřich Staněk, der sich beim Schuss zuvor schwer an der Schulter verletzte und durch den Leverkusener Matej Kovar ersetzt werden musste.
Arda Güler verpasst das 2:0
Nach der Führung spielte die Türkei weiterhin gut und ging aufs 2:0. Arda Güler hatte in der 64. Spielminute die Riesenchance, die Führung auszubauen, verstolperte aber die Hereingabe von Barış Alper Yılmaz. Im Gegenzug waren es dann die Tschechen, die unverhofft zum Ausgleich kamen. In Spielminute 66. brachte Vladimír Coufal einen langen Einwurf in den türkischen Strafraum.
Tschechien nach unglücklicher Günok-Aktion mit dem Ausgleich
Hier konnte der mit dem großen Tomáš Chorý kollidierende Mert Günok den Ball nicht festhalten, weshalb Tomáš Souček die Kugel zum 1:1 in die Maschen hauen konnte. Viele Türken beschwerten sich, dass Günok von Chorý illegal angegangen worden sei, allerdings machte der Tscheche keine aktive Bewegung in den Torwart der Türken, weshalb der Treffer zählte.
Nach dem 1:1 ein sehr zerfahrenes Spiel
Vincenzo Montella wollte dann noch einmal mehr Offensivdynamit ins Spiel bringen, weshalb er in der 76. Spielminute Cenk Tosun und Kerem Aktürkoğlu für die ausgepowerten Kenan Yıldız und Arda Güler einwechselte. Der Coach stellte damit vom 4-2-3-1 auf ein für ein schnelles Umschaltspiel besser geeignetes 4-3-3 um. Trotz der Umstellung und der nominellen Überzahl im Spiel war es allerdings Tschechien, das nach dem Ausgleich wesentlich mehr Konstruktives auf den Platz gezaubert bekam. Dennoch war das Spiel nun sehr zerfahren und der nicht immer souverän wirkende Schiedsrichter verteilte fleißig Gelbe Karten.
Die Nerven beider Teams waren nun angeschlagen: Das Ergebnis reichte den Türken zum Erreichen von Platz zwei, doch die Angst vorm zweiten Gegentor war zu spüren, während die Tschechen treffen mussten, um noch das Achtelfinale klarmachen zu können. Hierdurch spielte man natürlich sehr hoch, durch die personelle Unterzahl ergaben sich so aber auch Räume, die die Türkei am Ende zu nutzen wusste.
Vincenzo Montella wechselt mit Ayhan, Kökçü und Torschütze Tosun den Sieg ein
Nach einem Langen Ball der Tschechen konnte der zuvor eingewechselte Kaan Ayhan die Kugel klären und so den Gegenangriff der Türken einleiten. Hier war es der ebenfalls eingewechselte Orkun Kökçü, der mit Cenk Tosun auf den nächsten Joker auf links hinausspielte. Der gebürtige Wetzlarer verwirrte Freund und feind, indem er fast mit seinem eigenen Mitspieler kollidierte, zog dann aber nach innen und schloss dann entschlossen ins lange Eck ab, was das 2:1 und damit den Sieg und den gesicherten Achtelfinaleinzug für die Türkei bedeutete.
Nach Abpfiff kam es noch einmal zu Rudelbildungen, weshalb es noch eine Rote Karte für Tomáš Chorý gab. Die Türken feierten gemeinsam mit den zahlreich vertretenen und laut singenden Fans in Hamburg anschließend ausgelassen den Einzug in die KO-Phase. Das Achtelfinale zwischen der Türkei und Österreich, das am letzten Gruppenspieltag überraschend die "Todesgruppe" mit Frankreich, der Niederlande und Polen gewinnen konnte, findet dann am 2. Juli in Leipzig statt.
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