Der Abgang von Niklas Süle zu Borussia Dortmund hinterlässt viele Fragenzeichen. Sportliche sowie finanzielle Gründe lassen sich schnell ausschließen. Vielmehr sind der Konkurrenzkampf und das unruhige Umfeld Indizien dafür, dass der Nationalspieler dem Haifischbecken FC Bayern aus dem Weg gehen möchte. Ein Kommentar von LIGABlatt-Redakteur Arben Hoti.
Die Bekanntgabe des Süle-Transfers zum BVB löste am gestrigen Tag ein mediales Erdbeben in Fußball-Deutschland aus. Vieles was in den letzten Monaten rund um Niklas Süle und den dem FC Bayern berichtet wurde, wurde mit einem Schlag über den Haufen geworfen. So sehr sich Süle selbst nach einem Wechsel zu einem Top-Klub der Premier League sehnte – dies galt fast schon als sicher, da der Innenverteidiger öffentlich über seinen Premier-League-Traum sprach – so überraschend kommt jetzt ein Wechsel innerhalb der Bundesliga, und das ausgerechnet zum Rivalen aus Dortmund. Für viele hinterlässt der Abgang Fragenzeichen, deren Ursachenforschung sich als herausfordernd erweist. Argumente wie der finanzielle Aspekt sowie die sportliche Weiterentwicklung des deutschen Nationalspielers bei einem Top-Klub im Ausland auf höchstem Niveau erübrigen sich schnell. Süle selbst berichtete nach seinem feststehenden Wechsel von überzeugenden Gesprächen mit den BVB-Verantwortlichen, die darauf schließen lassen, dass der 26-Jährige die mangelnde Wertschätzung beim deutschen Rekordmeister bei den Borussen gefunden hat. Letzteres hängt allerdings wohl unter anderem damit zusammen, dass der Innenverteidiger bei der schwächelnden BVB-Defensive mit großer Wahrscheinlichkeit gesetzt sein wird. Ob das wohl den Ausschlag gegeben hat, den FC Bayern zu verlassen?
Süle verpasst große Chance
Nach seiner schwerwiegenden Verletzung (Kreuzbandriss) meldete sich der deutsche Nationalspieler eindrucksvoll zurück, spielte sich unter Nagelsmann, den er bereits aus gemeinsamen Zeiten aus Hoffenheim bestens kennt, bei den Bayern wieder in den Vordergrund. Letzterer hält bekanntlich viel vom ehemaligen Schützling, gab ihm von allen Bayern-Akteuren mit die größten Einsatzzeiten in dieser Saison, sei es in der Innenverteidigung als auch als Rechtsverteidiger. Umso überraschender kommt nun der Wechsel, der auch für den Trainer ein Schlag ins Gesicht ist. Dass Süle langfristig das Potential gehabt hat, sich bei den Bayern zu etablieren und auf eine Ebene mit gestandenen FCB-Größen wie Müller, Neuer, Lewandowski und Co. aufzusteigen, steht außer Frage. Mit dem Abgang verpasst der gebürtige Frankfurter die große Chance, sich langfristig als unumstrittener Stammspieler bei den Bayern zu etablieren
Fürchtet sich Süle vor dem Konkurrenzkampf?
Ob der Abgang als Reaktion auf zwischenmenschliche Aspekte zurückzuführen ist, kann diesbezüglich nur spekuliert werden. Mag man diesen Aspekt als eine mögliche Ursache heranziehen, so muss diesbezüglich festgehalten werden, dass der 26-Jährige bei den Bayern-Bossen nie einen leichten Stand hatte und öfters, auch öffentlich, Gegenwind bekam. Nach dem feststehenden Abgang sorgte auch Ex-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit kontroversen Aussagen für reichlich Diskussionsstoff. Letzterer sprach davon, dass Süle sich bei den Bayern "nie richtig durchgesetzt" habe. Letzteres untermauerte er in einem Nebensatz auch mit dem Kreuzbandriss, der ihn für eine lange Zeit außer Gefecht setzte. Von außen betrachtet hinterlässt der Wechsel jedoch auch einen faden Beigeschmack, da der große Konkurrenzkampf bei den Bayern und der enorme Leistungsdruck darauf schließen lassen, dass Süle ein Stück weit die Flucht ergreift und das Haifischbecken FC Bayern, auch wegen der stets kontroversen Aussagen der Bayern-Bosse, verlassen möchte. Wechselte der noch junge Innenverteidiger einst zu den Bayern, um sich gegen gestandene Stammspieler wie Hummels und Boateng durchzusetzen, so kann der Wechsel hin zu einem Bundesliga-Verein mit einer komfortablen Stammplatzgarantie als das komplette Gegenteil verstanden werden. Im besten Fußballer-Alter erweist sich der Abgang Richtung Dortmund sportlich als Rückschritt, zumal die Borussen nach dem wohl bevorstehenden Haaland-Abgang im Sommer in der Offensive erstmal neu sortieren müssen. Mag man einen positiven Aspekt aus dem Süle-Deal heranziehen, so ist es der Fakt, dass ein gestandener Nationalspieler weiterhin der Bundesliga erhalten bleiben wird. Für FCB-Anhänger sorgt der Wechsel innerhalb der Bundesliga dennoch für Unverständnis.
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