Seit Beginn der Transferperiode vergeht kaum ein Tag, an dem es keine neue Wasserstandsmeldung zu Neymar Jr. gibt. Mittlerweile geht es bei dem gesamten Wechseltheater aber nicht mehr hauptsächlich um sportliche Gründe. Egal wo der Brasilianer am Ende spielt: Es wird viele Verlierer geben. Eine Analyse von LIGABlatt-Redakteur Benjamin Bruns.

Bleibt man bei Karl-Heinz Rummenigges Bild von den Dominosteinen, die auf dem Transfermarkt fallen, muss man festhalten, dass der größte Dominostein nach wie vor steht, aber mittlerweile bedenklich wackelt. Neymar polarisiert mit seiner Spielweise und seinem Verhalten auf dem Platz und abseits davon, aber selbst seine größten Kritiker müssen zugeben, dass er ein Spieler ist, der den Unterschied auch auf höchstem Niveau machen kann. Nach wie vor ist zwar bekannt, dass der Brasilianer Paris verlassen möchte, wohin es ihn zieht beziehungsweise ob er überhaupt wechselt, steht aber immer noch in den Sternen. Mittlerweile gibt es allerdings eigentlich kein Szenario mehr ohne verbrannte Erde.

Paris Saint-Germain kann nicht gewinnen.

PSG kann einem da beinahe schon leid tun. Die Pariser werden sich am Ende für das geringere von zwei Übeln entscheiden müssen. Sie machten Neymar 2017 mit einer Ablöse von 222 Millionen Euro zum teuersten Spieler aller Zeiten. Mit dem Geld kauften sie aber nicht nur einen Spieler, sondern wollten ein Zeichen setzen und der Welt zeigen, dass sie im Konzert der ganz Großen mitspielen können und wollen. Zwei Jahre und null Champions League Titel später nun will ihr Prestigeobjekt Frankreich verlassen. Stimmt PSG oder genauer die Klubführung aus Katar zu, bedeutet das gleichzeitig einen riesigen Imageverlust. Man sieht sich auf einer Stufe mit den beiden Big Playern aus Spanien und müsste bei einem Wechsel zugeben, dass Real und Barcelona wohl nach wie vor über mehr Strahlkraft verfügen. Dazu ist es beinahe unmöglich die investierte Ablöse wieder reinzuholen. Eigentlich kann es sich kein Verein leisten über 200 Millionen in einen Spieler zu stecken. Paris hat es getan und muss nun entscheiden, ob sie ihren Star gegen 100 Millionen und einen oder mehrere andere Spieler eintauschen oder ob sie auf die Erfüllung seines Vertrags pochen. Die Fans protestieren bereits mit harschen Worten gegen "ihre" Nummer 10, was neben einer schlechten Stimmung auch weniger Merchandise- und Werbeeinnahmen nach sich ziehen dürfte. Ein Aushängeschild, das die Zielgruppe nicht erreicht, funktioniert nur bedingt. Auf der anderen Seite spielt Neymar aber eben auch fußballerisch und vom Starfaktor her in einer Liga, in der es wenige andere Kandidaten gibt, die seinen Platz einnehmen und so das Image PSGs weiter aufpolieren könnten. Messi und Ronaldo sind nicht verkäuflich, Griezmann und Hazard gerade erst gewechselt. Nicht alleine deshalb setzt PSG derzeit alles daran, Kylian Mbappé in den Vordergrund zu stellen. Wie das mit einem Verbleib des bisherigen Topstars funktionieren würde, müsste man sehen.

Wunschlösung mit Hindernissen

Dem Vernehmen nach würde Neymar am liebsten zurück zu Barca wechseln. Von hier war er ursprünglich – und zum Unmut der Fans – losgezogen, um aus dem Schatten Messis zu treten. Kehrt er zurück, darf man dieses Unterfangen als gescheitert betrachten. Aber auch Barcelona hat sich seit seinem Abgang verändert. Neben Messi und Suárez stehen 100-Millionen-Mann Ousmane Dembélé und seit neuestem Antoine Griezmann unter Vertrag. Selbst wenn der Ex-Dortmunder im Gegenzug – und wohl gegen seinen Wunsch – zu Paris wechseln sollte, gäbe es nur äußerst wenige Spiele, in denen alle Offensivstars gleichzeitig auf dem Feld stehen könnten. Kapitän Messi ist gesetzt. Es ist nicht anzunehmen, dass Suárez, Griezmann oder Neymar sich ohne Murren auf die Bank setzen – vor allem nicht in einem Topspiel. Abgesehen davon ist es ein offenes Geheimnis, dass Barcelona eigentlich schlicht nicht das Geld hat, um eine Rückkehr des "verlorenen Sohnes" zu bezahlen.

Real und Juve mit Außenseiterchancen

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sowohl Real, als auch Juve noch Bedarf in der Offensive haben könnten. Einzig auf Neymars Stammposition sind beide Vereine mit Ronaldo bzw. Hazard hervorragend besetzt. Die Notwendigkeit dieses Transfers ist somit eigentlich nicht gegeben und wäre in erste Linie eine Prestigeentscheidung. Sollte sich tatsächlich ein Wechsel nach Madrid ergeben, wäre dazu Neymars Chance auf eine Rückkehr nach Barcelona wohl endgültig vom Tisch. Ebenso wie Barca könnten aber auch die beiden Rekordmeister aus Italien und Spanien einen Transfer dieser Größenordnung nicht ohne weiteres stemmen. Reals Transferbilanz in diesem Sommer ist bereits im negativen dreistelligen Bereich und auch Juve ist derzeit nur ganz knapp im Plus. Die Lösung wären somit Spieler, die mit Neymar verrechnet werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass die genannten Kandidaten wie Dybala oder Bale (inklusive ihrer Werbepartner und Sponsoren) besonders begeistert von diesem Modell wären.

Ende in Sicht

Die Transferfenster in Frankreich, Italien und Spanien schließen am 2. September. Spätestens dann weiß die Fußballwelt, wo Ausnahmespieler Neymar Jr. in der kommenden Saison spielt. Dass sich eine Lösung findet, die alle Beteiligten zufrieden stellt, darf bezweifelt werden. So oder so wird Neymars Entscheidung große Wellen schlagen.

Foto: Franck Fife/Getty Images