Sportlich gesehen war das 3:1 des BVB gegen tapfere Kölner für lange Zeit eine zähe Angelegenheit. Gleichzeitig zeigt aber gerade dieser Arbeitssieg, was sich bei den Dortmundern seit der letzten Saison getan hat und warum die Neujustierung das erklärte Ziel Meisterschaft tatsächlich ein Stück weit wahrscheinlicher macht. Eine Analyse von LIGABlatt-Redakteur Benjamin Bruns.
Über den verspielten 9-Punkte-Vorsprung auf Serienmeister Bayern im letzten Jahr wurde diesen Sommer ebenso oft gesprochen, wie über die frühe und verhältnismäßig umfangreiche Einkaufstour der Borussen und die damit verbundene und vollmundige Ankündigung, man wolle um den Titel mitspielen. Jetzt aber geht es darum, zu zeigen, dass die Mannschaft dieses Ziel im Blick hat und tatsächlich erreichen kann. Einem ungefährdeten Sieg gegen klar unterlegene Augsburger (5:1) folgte ein hart errungener Auswärtssieg in Köln (1:3). Gerade dieses Spiel zeigte aber auf, warum mit dem BVB unbedingt zu rechnen ist. Offenbar hat man die letzte Saison beim BVB genau analysiert und die richtigen Schritte unternommen.
Quantität und Qualität
Robert Lewandowski ließ sich gerade erst eine kleine Spitze gegen seinen Ex-Club entlocken, als er betonte, dass der BVB zwar über den größeren Kader, die Bayern allerdings über mehr Qualität verfügten. Darüber kann man sicher trefflich streiten, Fakt ist aber, dass Lucien Favre den Dortmunder Sieg in Köln letztendlich einwechselte. Julian Brandt und Achraf Hakimi brachten frischen Wind – oder anders ausgedrückt – zusätzliche Qualität ins Dortmunder Spiel und nahmen die drei Punkte mit zurück in den Ruhrpott. Die beiden Einwechslungen belebten das Spiel merklich und gaben insbesondere Jadon Sancho die Möglichkeit, sich freier zu bewegen und so die Kölner Defensive vor Probleme zu stellen.
Eine echte Neun
Bereits in der letzen Saison bewies Favre in Sachen Einwechslungen ein gutes Händchen und brachte Joker, die stachen. Besonders hervorzuheben ist dabei allerdings vor allem einer: Paco Alcácer, der als Einwechselspieler so erfolgreich war, dass einige Experten ihm nach Milchmädchenart die Befähigung für 90 erfolgreiche Minuten absprachen. Dieser Eindruck dürfte sich mittlerweile verflüchtigt haben. Der Spanier ist in dieser Saison gesetzt und erzielte in allen vier bisherigen Pflichtspielen (Liga, Pokal und Supercup) stolze fünf Treffer. Dazu arbeitet er unermüdlich mit nach hinten und ist vorne in nahezu jeder Situation anspielbar. Alcácer ist nicht nur gesetzt, sondern derzeit sogar unersetzlich. Einen weiteren Mittelstürmer gibt es im Kader (noch) nicht.
Verstärkte Defensive
Die Offensive war in der letzten Saison aber auch nie wirklich das Problem. Defensiv dagegen stand der BVB ein ums andere Mal unsicher und fing sich vermeidbare Gegentreffer. Für die vakante Position hinten links, auf der sich in der letzten Saison Rechtsverteidiger Hakimi, die Innenverteidiger Diallo und Zagadou sowie Publikums- (aber nicht Trainer-liebling) Schmelzer versuchen durften, wurde mit Nico Schulz der gesetzte Linksverteidiger der Nationalelf geholt. Zwar wusste Schulz gegen Köln nicht vollends zu überzeugen, hat aber sowohl in der Nationalmannschaft, als auch in Hoffenheim nachgewiesen, dass er auch auf hohem Niveau mithalten kann. Sollte Hakimi dazu verletzungsfrei bleiben, wäre auch der Marokkaner eine starke Alternative. Außerdem verpflichtete man öffentlichkeitswirksam Rückkehrer Mats Hummels, der die junge Abwehr stabilisieren soll. Für ein Fazit ist es noch zu früh, aber die ersten Ansätze waren vielversprechend.
Mehr Möglichkeiten im Spielaufbau
Hummels Verpflichtung ist aber nicht nur in Sachen Verteidigung ein echter Gewinn. Sie ermöglicht den Schwarz-Gelben dazu noch mehr Variabilität im Spielaufbau über das Zentrum. In der letzten Saison war dafür nahezu ausschließlich Axel Witsel zuständig. Der Belgier ist wahnsinnig ball- und passsicher und eignet sich daher natürlich auch nach wie vor hervorragend für diese Aufgabe. Durch Hummels Verpflichtung kann der BVB aber zusätzlich über seinen Rückkehrer aufbauen, sollte der Sechser Witsel zugestellt sein. Und ein weiterer spielstarker Spieler ist nun in der Lage seine Qualitäten auf den Platz zu bringen: Julian Weigl. Auch wenn der gebürtige Bayer in der letzten Saison für seine Auftritte in der Innenverteidigung zurecht gelobt wurde, liegen seine wirklichen Stärken etwas weiter vorne. Hier durfte er in den ersten Saisonspielen sein Können unter Beweis stellen und hat Thomas Delaney voerst auf die Bank verdrängt. Mit Hummels, Witsel und Weigl verfügt der BVB nun über ein extrem spielstarkes Dreieck, durch das der Spielaufbau über die Mitte schwerer auszurechnen ist.
Stärker als im letzten Jahr
Zu diesem frühen Zeitpunkt kann man natürlich noch nicht ernsthaft absehen, wohin die Reise der Dortmunder am Ende führt. Das Spiel in Köln ist aber zumindest ein erstes Anzeichen dafür, dass die Borussen aus den Fehlern der Vorsaison gelernt haben und Lucien Favre noch mehr Möglichkeiten hat. Sofern die Säulen der Mannschaft, um Hummels, Witsel, Reus und Alcácer fit und in Form bleiben und die bisherigen Bankdrücker (insbesondere Götze und Delaney) ihre neue, ungeliebte Rolle annehmen, sollte einem spannenden Titelrennen aber eigentlich nichts im Wege stehen.
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