Normalerweise ist es gang und gebe, dass sich ein scheidender Trainer und sein Ex-Verein zumindest kurzfristig nicht mehr zum jeweils anderen äußern. In einer obligatorischen Pressekonferenz wird die Trennung bekanntgegeben, der gegenseitige Respekt geäußert und das Kapitel dann fürs erste auch geschlossen. Nicht so im Fall Borussia Dortmund und Peter Bosz. Wobei letztgenannter nicht einmal selbst medial in den Angriffsmodus geht: Bosz‘ Co-Trainer Hendrie Krüzen übernahm diese Rolle – und holte in der Zeitung "Tubantia" zum Rundumschlag aus.

Insbesondere BVB-Verteidiger Sokratis war Ziel von Krüzens Angriff. Als Lukasz Piszczek Mitte Anfang Oktober verletzt von der Nationalmannschaft zurückkehrte, erwartete Krüzen, dass Sokratis die Rolle des Polen als Führungsspieler im sensiblen BVB-Gebilde übernehmen würde: "Er ist der zweite Kapitän und hätte Führungsqualitäten zeigen müssen. Stattdessen ließ er uns hängen", so der 53-jährige.

"Entlassung nachvollziehbar"

Die Grüppchenbildung innerhalb der Mannschaft bemängelte der Niederländer zudem. Hierfür sei in erster Linie der zu große Kader verantwortlich gewesen: "Wir hatten 27 Spieler im Kader, das war zu viel. Du stellst 11 auf und der Rest ist fast komplett unzufrieden. Die Unruhe nahm zu und es entstanden Grüppchen."

Verständnis äußerte Krüzen jedoch bezüglich der Entlassung Anfang Dezember. Dies sei ein nachvollziehbarer Schritt der Vereinsführung gewesen. Er gesteht sogar, mit einer Demission viel früher gerechnet zu haben: "Wenn man in der Spitze arbeitet, kann man nicht ständig verlieren. Vier Mal hintereinander und man fliegt raus."

Was macht der BVB aus Krüzens Aussagen?

Grundsätzlich muss man die Aussagen Krüzens zweigeteilt sehen. Zum einen ist die Kritik an Spielern wie Sokratis, die seit Jahren für den BVB spielen, internationale Erfahrung in der Vita stehen haben und auch schwere Phasen schon gemeistert haben, nachvollziehbar. Eine Thematik wie die zu große Kaderzusammenstellung allerdings fällt nunmal auch in den Verantwortungsbereich des Trainerteams: Dies also zu bemängeln und die hieraus resultierende Grüppchenbildung nicht auf die eigene Kappe zu nehmen, zeugt von zu  geringer Selbstreflektion.

Die Aussagen nur wenige Wochen nach der eigenen Entlassung zu treffen, ist vielleicht unglücklich und auch aus der Emotion heraus nicht in Gänze sachlich, allerdings vom Grundinhalt her auch nicht falsch. In jedem Fall aber wird das Interview in Dortmund wahrgenommen werden – und eventuell zieht der BVB hieraus die richtigen Schlüsse. Vielleicht sogar schon im Winter.