Nach dem 1:1 gegen Trabzonspor richten die Verantwortlichen von Fenerbahçe den Blick einmal mehr auf den Schiedsrichter und den Türkischen Fußball insgesamt. Das mag menschlich verständlich sein, ist in diesem Falle aber der völlig falsche Ansatz.
Aus Sicht der Hausherren war der Platzverweis gegen İrfan Can Kahveci natürlich sehr unglücklich. Er ist allerdings passiert, wird nicht rückgängig gemacht werden können und keine Kritik bewahrt den Verein in Zukunft vor einer erneuten Entscheidung gegen sich. Viel wichtiger ist daher, was nach der Roten Karte passierte. Natürlich hat der Zwischenfall das Spiel beeinflusst. Was die erbosten Vertreter allerdings in ihrer Wut übersehen, ist das Wie.
Eines der großen Probleme Fenerbahçes war in dieser Saison der Umgang mit Rückschlägen. Das war vor allem gegen defensive Gegner zu beobachten. Gelang kein frühes Tor, liefen die Angriffe mal wieder ins Nichts oder kam es zu Ballverlusten, nahm die Körperspannung ab, Spieler fielen durch Abwinken und Diskutieren auf und in der Konsequenz gelang dem Gegner viel zu oft der eine entscheidende Konter. Bei aller gebotenen Objektivität könnte man nun sagen, dass gestern aus Sicht der Gastgeber ein solches Verhalten verständlich gewesen wäre. Eine (zu) harte Rote Karte nach weniger als 20 Minuten und direkt im Anschluss der Führungstreffer für den verhassten Gegner und Tabellenführer hätten viele Mannschaften zur Resignation gebracht. Ausgerechnet die Spieler aus Kadıköy zeigten allerdings eine ganz andere Reaktion.
Starke Reaktion nach dem Platzverweis
Angestachelt von der eigenen Wut und mit Sicherheit auch den lautstarken Fans münzten die zehn verbliebenen Spieler ihren Frust in Willen um. Nach einer kurzen Phase der Konsternierung riss sich Fenerbahçe am Riemen, warf alles nach vorne und stemmte sich mit aller Kraft gegen die drohende (ungerechte) Niederlage. Das 1:1 war kein Zufall, sondern zu diesem Zeitpunkt absolut verdient. Die Spieler zeigten Moral und machten die Unterzahl über weite Teile der Partie vergessen. Natürlich gehört zur Wahrheit, dass man am Ende auch viel Glück hatte, dass der wiedererwachte Gegner keine seiner zahlreichen Chancen nutzen konnte, selbst als neutraler Zuschauer musste man Fenerbahçe den Punkt am Ende aber gönnen.
Daher ist es umso unverständlicher, dass der Verein den Fokus nun nicht auf die Leistung der eigenen Mannschaft legt. Auf dieser Performance kann man aufbauen und hätten die Gelb-Marineblauen die gesamte Saison über mit derart viel Einsatz und Herzblut gespielt, gäbe es jetzt noch ein spannendes Meisterschaftsrennen. Der Zug ist zwar abgefahren, zeigt Fenerbahçe aber für den Rest der Saison vergleichbare Leistungen, könnte dieser Punktgewinn der Anfang einer Aufholjagd auf die internationalen Plätze bedeuten. Rang drei ist zumindest bis heute Abend erreicht. Die Verantwortlich täten gut daran, wenn sie sich weniger mit vermeintlichen Verschwörungen und Benachteiligungen beschäftigen würden und stattdessen ihr Augenmerk auf das eigene Team legen. Das hat nämlich gestern unter diesen Umständen die bestmögliche sportliche Antwort gegeben.