Der 15-malige türkische Meister kassiert von Spiel zu Spiel ein Tor nach dem anderen. Das ist ein untypisches Bild am Bosporus. Um die jahrelang gelobte Defensive sieht es nicht mehr gut aus, dazu bleibt die Offensive trotz etlicher gefährlicher Flanken und Eckstöße deutlich unter dem Soll. Gegen Partizan Belgrad und Bursaspor gibt es schwere Prüfungen zu bestehen. Eine Analyse von LIGABlatt-Chefredakteur Fatih Şenel.
Noch vor einem Jahr sah das Spiel von Beşiktaş wesentlich ansehnlicher aus. Grobe Abwehrfehler, eklatante Fehlpässe und ein abfälliges Aufbauspiel wie es heute der Fall ist, waren einfach keine Themen. Das unglückliche aber nicht unverdiente 2:3 gegen Antalya war schlicht das Zusammenwirken aller bisher aufgetauchten Fehler. Im Zentrum der "Schwarzen Adler" schrillen seit dem Weggang von José Sosa die Alarmglocken. Ohne Atiba Hutchinson können weder Oğuzhan Özyakup noch Tolgay Arslan eine sinnige Orientierung finden. Eine Abhilfe scheint aber immer noch nicht in Sicht. Die Abschlussqualitäten des BJK-Kapitäns sind auch unwürdig eines "Führungsspielers", der aber seit über einem Jahr absent ist.
Es findet sich kein Abnehmer
Hinzu kommt, dass die unzähligen Quaresma-Flanken keine Abnehmer finden. Die Zeiten mit Mario Gómez, Vincent Aboubakar und Anderson Talisca sind endgültig vorbei. Cyle Larin und Vágner Love haben nicht die Qualität, um bei Beşiktaş in der Offensive für Klarheit zu sorgen. Beide fungieren irgendwie als Last und wirken ideenloser als Mustafa Pektemek – muss man aber erst einmal hinbekommen.
Wie eine Zahnlücke
Was ist zu tun? Auf der Sechserposition muss zunächst ein abgebrühter Kaliber agieren, der es versteht, wie einst Fabian Ernst oder Atiba Hutchinson das funktionierende Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff zu werden. Im Angriff ist ein Name zu verpflichten, der neben Álvaro Negredo mächtig für Dampf sorgt und die bis dato vermisste Kopfballstärke mitbringt. Hier vermisst man Talisca sehr.
Nichts mehr von einer soliden Abwehr übrig
Kommen wir zur bis dato schreckhaften Defensive: Marcelo, Ersan Gülüm und Duško Tošić bescherten wahrlich gute Einnahmen. Allerdings harmonieren Pepe und Vida in der Innenverteidigung einfach nicht wie vorgesehen. Vor allem tiefe Pässe bereiten Beşiktaş große Probleme. Die alternde BJK-Defensive ist oft zu träge und immer wieder anfällig, wenn der Gegner es versteht, den richtigen Moment nutzen.
Şenol Güneş hat kein Polster mehr
Und Şenol Güneş? Er genießt weiterhin ein hohes Ansehen. Doch so langsam braut sich am Bosporus etwas Schlimmes zusammen. Seine Startformationen stehen schon länger unter Beschuss, zumal der Meistercoach oft zu lange braucht, um einem Garanten wie Medel Vertrauen zu schenken. Die Fans werden in dieser Saison im Falle eines Misserfolgs nicht mehr hinter ihm stehen. Jetzt muss sogar der erfahrene Übungsleiter aufpassen. Nach den Erfolgen in 2016 und 2017 ist nämlich die Messlatte höher als angenommen.
Fazit: Bitte einen lupenreinen Zehner, einen zusätzlichen Innenverteidiger (nicht Enzo Roco) und einen bissigen Torjäger wie Gomis in den bisher leeren Warenkorb legen. Anschließend abwarten, ob Şenol Güneş erneut Wochen verstreichen lässt, um die Elf mit der besten Chemie aufzustellen. Wie armselig!