Seit 2014 sehnt man sich bei Fenerbahçe nach dem nächsten Meistertitel – die 20. Meisterschaft soll unbedingt her! Dafür hat man diese Saison tief in die Tasche gegriffen und den halben Kader komplett umgebaut. Ist man dadurch aber für das Meisterrennen in dieser Saison gut gewappnet? Schauen wir uns den Kader der "Kanarienvögel" doch einmal genauer an. 

Die Titelsehnsucht bei Fenerbahçe ist groß. Zwar hat man in der vergangenen Spielzeit mit Platz zwei in der Süper Lig und dem Gewinn des türkischen Pokals unterm Strich eine gute Saison gespielt, doch zählt für die Fans der stolzen Istanbuler mittlerweile nur noch der 20. Meisterschaftstitel. Diese Sehnsucht hat sich nun offenbar auch auf die Vereinsführung übertragen, die praktisch keinen Stein auf dem andern gelassen und ordentlich in den Kader investiert haben, um eine Siegermannschaft zu formen. Dabei kam es allerdings zu allerlei Verwirrung:

Tor 

Das erste große Fragezeichen in dieser Saison ist bereits im Kasten der "Kanarienvögel" zu finden. Nachdem man im März erst den Vertrag des damaligen Kapitäns Altay Bayındır vorzeitig um vier weitere Jahre verlängerte, kam es nun zu einer Kehrtwende: Seit einigen Wochen bereits buhlt Fenerbahçe schon um den kroatischen Nationaltorhüter Dominik Livaković und es heißt sogar, dass der Wechsel des 28-Jährigen zu Fener in dieser Woche noch verkündet werden soll. Sollte Livaković wirklich kommen und Altay Bayındır nicht zu Manchester United wechseln, wo man offenbar Interesse an einer Verpflichtung des 24-Jährigen hat, wäre Fenerbahçe mehr als nur gut aufgestellt. Die Frage ist allerdings, inwieweit die Debatte um den geschassten Keeper Altay Bayındır der Kaderstimmung schadet; mit jungen Jahren Kapitän zu sein und sich trotz reizvoller Angebote aus dem Ausland langfristig an deinen Verein zu binden, nur damit man dir nach einer Verletzung die Binde wegnimmt und dir durch die Blume sagt, dass du nicht mehr erwünscht bist, mag nicht nur bei Altay selbst, sondern auch bei einigen anderen etablierten Fener-Spielern einen bitteren Geschmack im Mund hinterlassen haben.

Abwehr 

In der Innenverteidigung hat Fenerbahçe mit Rodrigo Becão und mit Alexander Djiku bereits gut nachgelegt. Mit diesen beiden erfahrenen Profis soll der Abgang von Attila Szalai zu Hoffenheim kompensiert werden. Die Abwehr war in der vergangenen Saison unter Ex-Trainer Jorge Jesus das Glanzstück der "Kanarienvögel" und hier ist man unterm Strich auch das geringste Risiko eingegangen. Auch auf rechts ist man mit Ferdi Kadıoğlu und Bright Osayi-Samuel sehr gut aufgestellt. Lediglich die Position des Linksverteidigers ist hinter Talent Jayden Oosterwolde noch recht verwaist. Hier würde sich die Verpflichtung eines Backups anbieten. Da man ein breites Aufgebot an Innenverteidigern hat und Kadıoğlu sowie Oosterwolde auch auf den Schienen spielen können, hätte man das Personal für eine Vierer- oder eine Dreier- respektive Fünferkette in der Abwehr, was taktische Flexibilität mit sich bringt.

Mittelfeld 

Der Abgang von Toptalent Arda Güler zu Real Madrid tut zwar weh, allerdings sind die "Kanarienvögel" im Mittelfeld fast schon zu breit aufgestellt. Hier ist allerdings auch der Bereich, wo wohl noch am meisten passieren wird: So geht man davon aus, dass wenigstens der Stammabräumer Willian Arão den Verein noch verlassen und an dessen Stelle noch ein weiterer Sechser kommen wird. Aktuell ist Tanguy Ndombélé von Tottenham Hotspur im Gespräch. Hiervon abgesehen ist man mit Miha Zajc, Neuzugang Fred und Miguel Crespo im zentralen Mittelfeld sehr stark aufgestellt, während Lincoln und Arda-Ersatz Sebastian Szymański auf der Zehn für Kreativität sorgen sollen. Insgesamt haben die "Kanarienvögel" im Zentrum fast schon zu viele Alternativen, weshalb es vielleicht Ratsam wäre, hier noch ein, zwei Spieler zu verkaufen und weitere Einnahmen zu generieren.

Sturm

Auch in der Offensive scheint es bei Fenerbahçe fast schon ein Überangebot zu geben: Auf den Flügeln hat man mit Ryan Kent, Dušan Tadić und Cengiz Ünder gleich drei Spieler von internationalem Format verpflichtet, während man mit İrfan Can Kahveci und Emre Mor noch zwei weitere Individualisten in der Hinterhand hat. Gerade hier muss man sich personell vor den beiden großen Stadtrivalen Galatasaray und Beşiktaş nicht verstecken. Im Sturmzentrum setzt man mit dem neuen Kapitän Edin Džeko auf geballte Erfahrung und Abschlussqualität. Diese soll den Abgang des Torschützenkönigs der vergangenen Süper-Lig-Saison, Enner Valencia, kompensieren. Dahinter hat man mit Joshua King, Michy Batshuayi und Serdar Dursun drei leistungsfähige Alternativen, von denen aber wohl mindestens einer den Verein noch verlassen wird.

Fazit 

Fenerbahçe hat mit Arda Güler, Enner Valencia oder Attila Szalai wichtige Leistungsträger und Identifikationsfiguren verloren, dafür hat man ordentlich Geld in die Hand genommen, um eine Truppe aus aufregenden Individualisten auf der einen, und erfahrenen Haudegen auf der anderen Seite zusammenzustellen, die die Abgänge gut kompensieren kann und zudem eine auffallende Siegermentalität besitzt. In den ersten Spielen in der Qualifikation zur Conference League und im Saisonauftakt der Süper Lig gegen Gaziantep FK zeigte sich bereits, dass die prominenten Neuzugänge keine Eingewöhnungsphase benötigen und sofort funktionieren. Man sieht, dass Fenerbahçe in dieser Saison in puncto Meisterkampf "All in" geht und möglicherweise ist man dieses Jahr tatsächlich Topfavorit auf den Titel. Dieser sollte auch möglichst bald gewonnen werden, denn eine Mannschaft mit viel Zukunft haben die "Kanarienvögel" nicht.