Es dürfte nur sehr selten vorkommen, dass die Fans von Galatasaray ein Istanbul-Derby als lästige Pflichtaufgabe wahrnehmen. Nach dem überraschenden 0:0 gegen Barcelona ist allerdings genau das der Fall. Nun muss Trainer Torrent moderieren.

Es ist schon ein seltsames Phänomen, wie sich Galatasaray in dieser Saison präsentiert. Gegen das wiedererstarkte Barcelona zeigte man eine erstklassige (defensive) Performance und hätte mit ein bisschen Glück sogar als Sieger aus der Partie gehen können. In der Liga gab es zuletzt ein schwaches 0:2 gegen Konyaspor und die Realität ist der trostlose 14. Tabellenrang. Jetzt kommt also Beşiktaş und selten war es wohl so schwierig, den Spielverlauf vorherzusagen. Auch der Gegner spielt eine bestenfalls durchwachsene Saison und für Torrent wird es schwierig sein, Erkenntnisse aus dem Barca-Spiel für die heutige Aufgabe zu übernehmen. Denn bei allem berechtigten Lob für die Performance der "Löwen" muss man sagen, dass die gewählte Taktik in der heimischen Liga nicht aufgehen würde.

Kein Platz zum Kontern

Hier liegt vermutlich auch die wahre Erklärung für die bemerkenswerten Leistungsunterschiede zwischen Europa League und Süper Lig. In Europa kann Galatasaray hinten kompakt stehen, den Gegner kommen lassen und dann mit der eigenen starken Defensive einerseits Angriffe abwehren und andererseits Konter über den schnellen und ballsicheren Aktürkoğlu starten. Gegen das ballverliebte, aber wenig effiziente Barcelona war diese Taktik perfekt. In der türkischen Liga hingegen lässt sie sich nicht anwenden. Hier ist Galatasaray neben Trabzonspor und den beiden ungeliebten Nachbarn in jedem Spiel der große Favorit, den es zu schlagen gilt. Gegner überlassen den Gelb-Roten gerne den Ball und verwenden deren Barca-Taktik in abgeschwächter Form gegen sie. So könnte man beinahe schon davon ausgehen, dass ein Gegner wie Beşiktaş vielleicht sogar dem eigenen Spiel zu Gute kommt. Die "Schwarzen Adler" werden sich sicherlich nicht hinten verstecken. Auf der anderen Seite dürfte allerdings auch Önder Karaveli die starke Leistung gegen Barcelona genau studiert haben und nun seine Schlüsse daraus ziehen. Als Gast könnte Beşiktaş Galatasaray guten Gewissens öfter den Ball überlassen. Gerade im Mittelfeld fehlt dem Rekordmeister hier aktuell ein Regisseur, der den entstehenden Ballbesitz in die richtigen Bahnen lenkt.

Wenn das heutige Derby durch den Zeitpunkt und die Tabellensituation schon nicht zum Spitzenspiel taugt, könnte es allerdings zumindest aus taktischer Sicht hochinteressant werden. Kaum auszumalen außerdem, was der Rückenwind eines Derbysieges am Donnerstag für das Selbstbewusstsein bewirken könnte.

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