Im fünften Spiel der EM-Qualifikation 2024 kam die türkische Nationalmannschaft zuhause über ein enttäuschendes 1:1 gegen Nachbarland Armenien nicht hinaus. Aber waren alle Spieler so schwach, wie es das Ergebnis vermuten lässt? Schauen wir uns die Mannen von Trainer Stefan Kuntz in der Einzelbewertung genauer an.
Mert Günok:
Der Beşiktaş-Routinier im Kasten der TFF-Auswahl kann einem ein wenig leidtun: Auch wenn Armenien zu einigen Abschlüssen kam, gingen die meisten am Kasten vorbei. Bei zwei, drei Chancen der Gäste war der 34-Jährige allerdings zur Stelle und strahle Souveränität aus. Beim Gegentreffer jedoch wurde er, nachdem gleich zwei Abwehrspieler am hereingebrachten Ball vorbeigetreten hatten etwas auf dem falschen Fuß erwischt und konnte nichts mehr ausrichten. (Note: 3)
Cenk Özkaçar:
Für den Ersatz für den verletzt fehlenden Stammlinksverteidiger Ferdi Kadıoğlu war dies ein rabenschwarzer Tag: Nicht nur sah der 22-Jährige beim Gegentreffer katastrophal aus, als er bei seiner versuchten Rettungsaktion den Ball nicht richtig erwischte, er verlor auch immer wieder auf der linken Seite wichtige Zweikämpfe und kam oft zu spät. Folgerichtig wurde er in der 72. Spielminute auch durch Onur Bulut ersetzt. Das Beste für den jungen Spieler vom FC Valencia wird es sein, diese Partie möglichst schnell wieder aus den Kopf zu bekommen. (Note: 5)
Çağlar Söyüncü:
Als Abwehrspieler kann man noch so ein gutes Spiel gemacht haben, wenn man an einem Gegentreffer mitbeteiligt war, überschattet dies alles andere. Genauso verhält es sich mit der Leistung von Çağlar Söyüncü. Eigentlich machte der 27-Jährige nur wenig falsch: Er war aufmerksam, gewann 83% seiner Zweikämpfe und versuchte mit vertikalen Pässen von hinten heraus das Spiel aufzubauen. Beim zwischenzeitlichen 0:1 machte er allerdings eine unglückliche Figur, wobei er im Zweikampf mit dem armenischen Mittelstürmer über den Ball trat, der dann Cenk Özkaçar vorbei beim gegnerischen Außenverteidiger Artak Dashyan ankam, der wiederum die Führung der Gäste erzielte. (Note: 3-)
Merih Demiral:
Dem Neuzugang von Saudi-Klub Al-Ahli kann man im Prinzip ein ähnliches Zeugnis ausstellen, wie Çağlar Söyüncü, mit dem Unterschied, dass der 25-Jährige beim Gegentreffer nicht ganz so unglücklich aussah. Auch Demiral hatte eine solide Zweikampfquote und wirkte in der türkischen Abwehr als Ruhepol, der sich bei Standards auch gerne vorne mit einschaltete. Insgesamt ein solider wenn auch nicht besonders auffälliger Auftritt des Ex-Juventus-Kickers. (Note: 3)
Zeki Çelik:
Genauso wie bei Cenk Özkaçar auf der linken Seite war es auch Zeki Çelik ein gebrauchter Abend. Zwar versuchte der 26-Jährige viel über rechts, doch gelang ihm wenig. Bei vielen Zweikämpfen kam er zu spät und auch bei der Kombination der Armenier vor dem 0:1 sah der Römer nicht gut aus. In der ersten Halbzeit hatte Çelik zwar nach einem tollen Pass von Mannschaftskapitän Hakan Çalhanoğlu die Führung auf dem Fuß, verstolperte diese aber. In der 61. Spielminute war dann Schluss und Çelik wurde für Mert Müldür ausgewechselt. (Note: 5+)
İsmail Yüksek:
In der ersten Halbzeit war İsmail Yüksek der Ruhepol der türkischen Mannschaft im Spielaufbau. Während bei der intensiv geführten Partie vor allem auch die Armenier immer wieder giftig anliefen, konnte der Sechser vom amtierenden türkischen Pokalsieger Fenerbahçe mit einfachen Aktionen das Spiel wieder beruhigen. In der zweiten Halbzeit jedoch tauchte Yüksek komplett ab und in seinen Räumen entstanden immer wieder gewaltige Lücken für die Armenier. Seine Auswechslung in der 61. Spielminute für İrfan Can Kahveci zugunsten eines offensiveren Spiels war dementsprechend folgerichtig. (Note: 3-)
Kerem Aktürkoğlu:
Der offensive Linksaußen von Galatasaray war in der ersten Halbzeit der wahrscheinlich beste Mann auf dem Platz. Nur selten blieb Aktürkoğlu auf seiner linken Seite, sondern rückte immer wieder ein, blieb stets anspielbar und spielte kluge Pässe in die Spitze, aus denen einige gute Chancen resultierten; einmal hatte sogar selbst eine sehr gute Chance, vergab diese aber. Nach dem Gegentreffer allerdings tauchte auch Aktürkoğlu zunehmend ab und wenn er mal am Ball war, agierte er prinzipiell unglücklich. Seine Auswechslung in der 80. Spielminute kam vielleicht etwas zu spät. (Note: 3-)
Orkun Kökçü:
Bei Benfica in Portugal aktuell überragend und in der abgelaufenen Spielzeit zum Spieler der Saison in der niederländischen Eredivisie gewählt, erhoffte man sich vom 22-Jährigen an diesem Abend natürlich sehr viel, wurde als Zuschauer und Mitspieler jedoch arg enttäuscht: In der eigentlich guten ersten Halbzeit der Türken war Kökçü einer der wenigen Spieler in Rot, die bereits bis dahin eine schlechte Partie machten. Die meiste Zeit blieb der Mittelfeldmann völlig unsichtbar und nur weniges, was er machte, hatte Hand und Fuß. In der zweiten Hälfte gelang ihm sogar noch weniger. Für viele Zuschauende war es dementsprechend unbegreiflich, wieso der Junge die ganze Partie durchspielen durfte. (Note: 5)
(c) Hakan Çalhanoğlu:
War Orkun Kökçü bei den Türken vielleicht die größte Enttäuschung im Spiel an diesem Abend, war sein Nebenmann auf der Doppelacht gewiss der größte Lichtblick der TFF-Auswahl: Der Mittelfeldregisseur von Inter Mailand opferte sich richtiggehend auf für seine Mannschaft und verdiente es sich, die Kapitänsbinde zu tragen. Mit 125 Ballberührungen (etwa zweieinhalbmal so viel wie Kökçü) war der 29-Jährige fast überall auf dem Platz zu finden. Darüber hinaus spielte er immer wieder gute Pässe und bewies im Spiel Übersicht. In der zweiten Halbzeit gelang ihm spielerisch zwar nicht mehr ganz so viel wie noch in der ersten Hälfte, doch konnte er hier mit Kampf und Einsatzwillen punkten. Vor dem späten Ausgleich der Türken leitete Çalhanoğlu durch eine geschickte Körpertäuschung und einen guten Pass in die Spitze den, dem Treffer vorausgehenden, Angriff ein. (Note: 2)
Cengiz Ünder:
Der Neuzugang von Fenerbahçe stellte auf dem rechten Flügel gewissermaßen die Antithese zu Kerem Aktürkoğlu auf links dar: War der 26-Jährige in der eigentlich guten ersten Hälfte der Türken noch recht unauffällig, wenn auch nicht schlecht, so war Ünder einer derjenigen, der in der zweiten Halbzeit voranging und viel versuchte. Immer wieder startete er Tiefenläufe, bekam allerdings nur selten den Ball. Nach hinten hin arbeitete der Flügelstürmer erstaunlich viel mit und unterband einige aussichtsreiche Angriffe der Armenier. Neben Çalhanoğlu war Ünder einer der wenigen Spieler in Rot, der mit Einsatz und Herzblut voranging. (Note: 2-)
Barış Alper Yılmaz:
Der 23-jährige Mittelstürmer von Galatasaray war wohl der Pechvogel der Türken in der ersten Halbzeit. Yılmaz allein hatte bereits in den ersten 45 Minuten drei, vier richtig dicke Chancen, die Führung seiner Mannschaft zu erzielen, doch scheiterte jedes Mal – mal kläglich, mal unglücklich. Seine Abschlussschwäche überschattet alle guten Aspekte, die er an diesem Abend mitbrachte: So wusste sich Yılmaz gut zu bewegen und so überhaupt die Chancen zu ermöglichen. Wenn man dann allerdings keine dieser Chancen reinmacht, bringt der vorherige Aufwand aber nicht viel. In einem Schulzeugnis würde man seinen Auftritt mit den Worten "Er war stets bemüht" quittieren. (Note: 5+)
Mert Müldür:
Kam in der 61. Spielminute für Zeki Çelik. Machte seine Sache zwar besser als der Ausgewechselte, wirklich frischen Wind konnte er aber nicht ins Spiel bringen. (Note: 3-)
İrfan Can Kahveci:
Ebenfalls in der 61. Spielminute eingewechselt, sollte Kahveci im Gegensatz zum ausgewechselten İsmail Yüksek mehr Schwung in die Offensive bringen und bewegte sich auch viel, schaffte es aber kaum, ins Spiel der Türken aktiv eingebunden zu werden. (Note: 4+)
Halil Dervişoğlu:
In der 61. Spielminute für den unglücklichen Barış Alper Yılmaz eingewechselt, machte Halil Dervişoğlu genau da weiter, wo sein Sturmkollege aufgehört hatte, und viel eher als Chancentod auf. Vor dem 1:1 hatte Dervişoğlu die große Chance zum Ausgleich, scheiterte aber kläglich am herausstürmenden armenischen Keeper. Dem beherzten Abschluss des ebenfalls eingewechselten Bertuğ Yıldırım ist es zu verdanken, dass man nicht mehr über die Nichtleistung von Halil Dervişoğlu spricht. (Note: 5)
Onur Bulut:
Kam in der 72. Spielminute für Cenk Özkaçar und hatte dabei zwar nicht ganz so viele haarsträubende Aktionen in seinem Spiel, wie der Ausgewechselte, einen wirklichen Eindruck hinterließ Onur Bulut aber kaum und blieb die längste Zeit unsichtbar. (Note: 4)
Bertuğ Yıldırım:
Durch seinen späten Ausgleichstreffer war der Debütant Bertuğ Yıldırım auf Seiten der Türken gewissermaßen der Matchwinner. Die Wahrheit ist allerdings auch, dass der 21-Jährige, vom Treffer abgesehen, seit seiner Einwechslung in der 80. Spielminute für Kerem Aktürkoğlu überhaupt nicht zu sehen war und ansonsten keine nennenswerten Aktionen aufweisen konnte. (Note: 3+)