Nach dem ebenso überzeugenden wie verdienten 4:2-Achtungserfolg gegen die Niederlande, ist es nicht schwierig, Gewinner im türkischen Team auszumachen: Dreierpacker Yılmaz, Strippenzieher Çalhanoğlu und Elfmeterkiller Çakır sind da nur die drei naheliegendsten. Doch einige Spieler dürften sich nach der Partie ihre Gedanken machen und sich vielleicht sogar auf persönlicher Ebene als Verlierer fühlen.
Das beginnt bereits zwischen den Pfosten. Bisher hatte Mert Günok seinen Platz in der Startelf immer sicher und konnte sich so insbesondere gegen Jungstar Çakır behaupten. Şenol Güneş schätzte die ruhige und abgeklärte Art des Keepers und gab ihm daher den Vorzug vor dem Trabzon-Kapitän, dessen Spielweise deutlich spektakulärer, aber ab und an auch fehleranfälliger ist. Nun wurde Günok allerdings offenbar die schlechte Saison mit Başakşehir zum Verhängnis. Nach Corona-Infektion und Verletzung verlor der 32-Jährige seinen Stammplatz zwischenzeitlich an Volkan Babacan und dürfte nach Çakırs starker Leistung auch im Nationaldress weiterhin auf der Bank Platz nehmen, wo mit Altay Bayındır ein weiterer Youngster Druck macht.
Lange Gesichter dürfte es bei der Verkündung der Aufstellung auch bei den beiden erfahrenen Caner Erkin und Kaan Ayhan gegeben haben. Zwar sind in der Innenverteidigung Söyüncü und Demiral klar gesetzt, da der Spieler von Juventus allerdings ausfällt, hatte Ayhan vermutlich mit einem Einsatz gerechnet. Güneş hatte andere Pläne und setzte stattdessen auf Ozan Kabak. Für Ayhan blieb nur die Rolle als Joker. Ähnlich war die Situation bei Erkin, wobei der Einsatz von Umut Meraş deutlich weniger überraschend kam.
Yazıcı kann seine Chance nicht nutzen
Doch nicht nur die Joker dürften insgesamt eher unzufrieden sein. Auch Yusuf Yazıcı schafft es weiterhin nicht, seine teils bestechende Form im Verein auch auf die Nationalelf zu übertragen. Gerade im Vergleich zu Nebenmann Çalhanoğlu fiel der Lille-Akteur klar ab. Im 4-2-3-1 oder 4-3-3 kommen die Stärken des 24-Jährigen nicht wirklich zur Geltung, der bevorzugt als Hängende Spitze neben einem klaren Mittelstürmer aufläuft.
Auch zwei Akteure, die dieses Mal nicht dabei waren, dürften den Sieg mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgt haben. Der verletzte Routinier Mahmut Tekdemir wird es nach aktuellem Stand schwer haben, noch einen Kaderplatz für die EM zu ergattern. Die Innenverteidigung ist im Normalfall hochkarätig besetzt und im zentralen Mittelfeld führt an Yokuşlu und Tufan kein Weg vorbei. Dazu hinterließ Debütant Taylan Antalyalı einen ordentlichen Eindruck. Etwas größer sind die Chancen wohl für İrfan Can Kahveci. Seine Vielseitigkeit und seine unbestrittenen Qualitäten dürften ihm zwar einen Kaderplatz bescheren, von der Startelf ist er allerdings nach wie vor weit entfernt. Dieses Mal musste er sowieso verletzt passen, selbst im fitten Zustand hat er seine Rolle allerdings noch nicht gefunden. Auf jeder Position gibt es mindestens einen Spieler, der die Nase vorn hat und so schiebt Güneş den Fenerbahçe-Profi von der Zentrale auf den Flügel und zurück. Diese Situation ähnelt der im Verein, während man in Kadıköy allerdings bestrebt sein wird, den teuren Neuzugang zu integrieren, gibt es in der Nationalelf nach dem Auftakt nach Maß nur wenig Grund zur Veränderung.
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