Mit den Niederlanden trifft die Türkische Nationalmannschaft heute direkt zum Auftakt auf den schwersten Gegner der Gruppe G. Auch wenn die "Elftal" der klare Favorit ist, muss Trainer Frank de Boer gleich an mehreren Baustellen arbeiten.
Das erste Problem hat der 50-Jährige dabei nicht selbst zu verantworten. Die eigentlich so starke Defensive ist nämlich arg dezimiert. Kapitän und Topstar Virgil van Dijk laboriert noch immer an einem Kreuzbandanriss und ist sogar für die EM im Sommer fraglich. Sein designierter Vertreter Stefan de Vrij (Inter) wurde aufgrund einer Corona-Infektion ebenso nicht berufen wie Nathan Aké von Manchester City. Die Innenverteidigung bleibt mit de Ligt und Blind zwar nach wie vor hochkarätig besetzt, eine Schwächung sind die Ausfälle aber dennoch. Auch daneben und dahinter ist das Team solide, aber nicht hochklassig besetzt. Torwart Jasper Cillessen ist nach einer langen Verletzung erst kürzlich in die Startelf des FC Valencia zurückgekehrt und die Außenverteidiger Dumfries (Eindhoven) und Tete (Fulham) bzw. Wijndal (Alkmaar) und van Aanholt (Crystal Palace) konnten noch nicht auf allerhöchster Ebene auf sich aufmerksam machen.
Mittelfeld mit dem Prädikat "Weltklasse"
Ganz anders sieht es dagegen im Mittelfeld aus. Die Zentrale ist das klare Prunkstück von "Oranje" und hier steht der Coach eher vor Luxusproblemen. De Jong (Barcelona) und Ersatzkapitän Wijnaldum (Liverpool) sind auf der Sechs bzw. der Acht gesetzt. Daneben hoffen de Roon (Atalanta), Klaasen (Ajax), van de Beek (Manchester United) und der erst 18-jährige Shootingstar Gravenberch (Ajax) auf einen Platz in der Startelf. De Boer setzt in der Regel auf ein typisch niederländisches 4-3-3, bei dem de Jong den defensiven und Wijnaldum den offensiven Part übernimmt. Als Box-to-Box-Spieler dazwischen ist de Roon eigentlich gesetzt, wurde während seiner Verletzung allerdings durch den formstarken Klaassen sehr gut vertreten.
Kein Platz für den treffsichersten Stürmer
Bleibt der Sturm und hier sieht sich der Bondscoach in der Heimat großer Kritik ausgesetzt. Er verzichtete nämlich zum wiederholten Male auf die Nominierung des derzeit treffsichersten Niederländers. Für Wolfsburg trifft Wout Weghorst quasi nach Belieben und kommt wettbewerbsübergreifend auf 22 Tore und sechs Vorlagen in 33 Spielen. Sein letztes Spiel in der Nationalmannschaft datiert trotzdem auf den 19.11.2019 und auch gegen die Türkei wird der Torjäger nicht im Kader stehen. Der Trainer setzt stattdessen auf Luuk de Jong, der ein ähnlicher Spielertyp ist, beim FC Sevilla allerdings zumeist nur von der Bank kommt. Am liebsten verzichtet de Boer allerdings komplett auf typische Wandstürmer und stellt den wuseligen Memphis Depay ins Zentrum. Der 27-Jährige ist die offensive Lebensversicherung der Niederlande und wird von wechselnden Flügelspielern unterstützt. Viel spricht aktuell für Donyell Malen (Eindhoven) und Feyenoord-Kapitän Steven Berghuis. Beide präsentieren sich in der Erendivisie äußerst treffsicher, konnten ihre Topform in der Nationalelf allerdings noch nicht so unter Beweis stellen. Ein alter Bekannter aus der Süper Lig hofft deshalb ebenfalls auf einen Auftritt von Beginn an: Ryan Babel (Galatasaray) ist mit 34 Jahren der älteste Feldspieler im Kader und brennt darauf, sich im Spiel gegen seine Wahlheimat zu beweisen.
Foto: imago