Das Länderspiel gegen Guinea war vergleichsweise kurzfristig anberaumt worden, da die Partie gegen den ursprünglichen Gegner Nordirland aufgrund geltender Corona-Verordnungen abgesagt werden musste. Rückblickend muss man sagen, dass man sich die Partie gegen die Westafrikaner besser gespart hätte – und das lag nicht am Gegner.
Bei einem Testspiel so kurz vor einem Turnier hat der Trainer zwei Möglichkeiten: entweder er nutzt die Gelegenheit, um seine Stammelf besser einzuspielen, Automatismen unter Wettbewerbsbedingungen einzuüben und idealerweise das Selbstvertrauen zu stärken oder er gibt den Akteuren aus der zweiten Reihe die Chance sich zu zeigen. Şenol Güneş entschied sich verständlicherweise für Option zwei und stellte außer Cengiz Ünder nur Spieler auf, die sich gegen Italien wohl eher nicht in der ersten Elf wiederfinden werden. Mehr noch, einige der aufgebotenen Spieler müssen sogar noch um ihre endgültige Berufung in den Kader bangen. Unter diesen Umständen musste das Spiel gegen Guinea insbesondere im ersten Durchgang irritieren. Natürlich konnte die aufgebotene Elf nicht eingespielt sein und weder der Coach noch irgendein Fan hatten sich vermutlich auf einen fußballerischen Leckerbissen eingestellt. Die teils offen zur Schau gestellte Lustlosigkeit, mangelnde Körperspannung und das schlicht ungenügende Positionsspiel überraschte vor diesem Hintergrund allerdings doch. Teilweise wirkte es, als habe Güneş seinen endgültigen Kader bereits am gestrigen Montag benannt und dann als Trostpreis größtenteils jene Akteure aufgeboten, die er kurz vorher für das Turnier ausgeschlossen hatte. Lediglich der sowieso fest eingeplante Ünder, der bemühte Ömür und der agile Müldür (der seinen Platz als Backup wohl ebenfalls sicher hat) zeigten Einstellung und Ehrgeiz.
Fehlende Einstellung
Welche Schlüsse soll der Trainer nun aus diesem Auftritt ziehen, außer dass er mit seiner eigentlichen Stammelf, die größtenteils geschont wurde und sich so nichts zu Schulden kommen lassen konnte, völlig richtig liegt? Vielleicht betrachtet er die Mentalität der aufgebotenen Spieler. Ein Testspiel gegen Guinea an einem Montag verspricht wenig Prestige. Genau das zeigten einige Spieler auch deutlich. Wollte man streng sein, könnte man daraus Rückschlüsse ziehen, wem das weiß-rote Trikot wirklich etwas bedeutet. Vielleicht könnte er sich auch auf die sportliche Komponente konzentrieren, da mal wieder augenscheinlich wurde, wie schwer sich die Türkei tut, wenn sie auf einen defensiven Gegner trifft. Sobald "Milli Takım" das Spiel machen muss, wird die Darbietung gruselig. Das war bereits gegen Aserbaidschan so und das Spiel gegen Guinea war nochmal ein erneuter Rückschritt.
Bei der EM warten defensive Gegner
Bleibt die Frage, was das für die EM bedeutet. Grundsätzlich ist ein Turnier natürlich etwas anderes und es ist nicht zu vermuten, dass die türkischen Spieler dort die nötige Bereitschaft vermissen lassen werden. Gerade gegen favorisierte Gegner glänzen die Türken. Alles gut also? Betrachtet man die Gegner in der Vorrunde eher nicht. Wales ist ein defensives Team, das der Türkei den Ball überlassen wird, die Schweiz eine ebensolche Wundertüte wie die Türken und Italien ist zwar nominell der Favorit, pflegt allerdings auch gerne eine defensive Spielweise. Güneş sollte also den sportlichen Aspekt angehen und seinem Team einen Plan mit auf den Weg geben, wie die talentierten Offensivspieler auch gegen abwartende Teams zum Erfolg kommen können. Die letzte Möglichkeit hat er gegen Moldawien und vermutlich setzt er hier wieder auf seine stärkste Elf.
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