Die WM-Qualifikation beginnt für Şenol Güneş und sein Team mit der denkbar schwersten Aufgabe. Die Niederlande ist der klare Topfavorit in der Gruppe G und fungiert so als echter Gradmesser nach dem enttäuschenden Abschneiden in der Nations League.
Der klare Stamm, den der Trainer eigentlich etabliert hatte, wurde zuletzt immer wieder durcheinander gewürfelt. Gerade die erfolgreiche Viererkette, die während der EM-Qualifikation für Furore gesorgt hatte, musste personell immer wieder verändert werden. Abwehrboss Söyüncü, Linksverteidiger Meraş und sein Gegenüber Çelik hatten mit Verletzungen zu kämpfen. Während die drei Genannten wieder zur Verfügung stehen und auch in ihren jeweiligen Vereinen klare Leistungsträger sind, ist Merih Demiral fraglich. Zwar wurde er nominiert, musste zuletzt allerdings wegen einer Oberschenkelverletzung passen. Sein erster Stellvertreter Kaan Ayhan kommt in Sassuolo nicht über die Rolle als Ergänzungskraft hinaus, konnte in der Nationalelf allerdings bisher fast immer überzeugen.
Im zentralen Mittelfeld kann der Coach personell fast aus den Vollen schöpfen. Mit Ausnahme des schwächelnden Tekdemir stehen alle Spieler zur Verfügung. Der Routinier wird von Galatasarays Taylan Antalyalı vertreten, dieser dürfte sich allerdings hinter den Platzhirschen Yokuşlu und Tufan einreihen.
Welches System wählt Güneş?
Die größten Fragezeichen gibt es allerdings in der Offensive. Stammspieler Cengiz Ünder ist verletzt und muss dementsprechend ersetzt werden. Neben dem gesetzten Çalhanoğlu drängt der formstarke Yusuf Yazıcı, der allerdings im Nationaldress bisher eher hinter den Erwartungen blieb, in die Formation. Auf dem rechten Flügel fällt die Entscheidung wohl zwischen Deniz Türüç, Emre Kılınç und Debütant Halil Akbunar. Eigenwerbung in der Nationalelf konnte zuletzt lediglich der Spieler von Başakşehir betreiben, mit Kenan Karaman stünde ein weiterer Akteur bereit, der die Position bereits kennt. Alternativ könnte Güneş die Zentrale mit einem Dreier-Mittelfeld stärken, Kahveci, Kökçü oder Tököz bringen und dann Çalhanoğlu und Yazıcı auf den Flügeln positionieren.
In vorderster Front führt hingegen wohl kein Weg am Kapitän vorbei. Burak Yılmaz hat seine Verletzung überstanden und soll als Führungsspieler vorangehen. Cenk Tosun ist noch angeschlagen, Enes Ünal konnte gegen Elche jüngst seinen ersten Saisontreffer im zwanzigsten Spiel feiern und der aktuell treffsicherste türkische Mittelstürmer Serdar Dursun (insgesamt 17 Tore für Darmstadt) wurde erneut nicht berücksichtigt.
Gegen die Niederlande, die ihrerseits Verletzungssorgen in der Defensive hat, ist die Türkei klarer Außenseiter. Die Nationalelf hat allerdings schon öfter gezeigt, dass sie gerade in solchen Spielen über sich hinauswachsen kann. Ein gutes Ergebnis gegen den schwersten Brocken der Gruppe G wäre allerdings nicht nur punktetechnisch wichtig, sondern könnte auch das Selbstvertrauen stärken. Im Anschluss wartet nämlich direkt die zweitschwerste Aufgabe: Norwegen, um die Stürmerstars Haaland und den ehemaligen Trabzon-Knipser Alexander Sørloth.
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