Der treffsicherste Türke der Saison erlebt die EM von der heimischen Couch. Trotz starker Leistungen in den vergangenen Jahren und des Tosun-Ausfalls verzichtet Şenol Güneş auf Serdar Dursun.
Viele Überraschungen hatte Şenol Güneş nicht zu bieten, als er vor gut einer Woche seinen vorläufigen EM-Kader bekannt gab. Rıdvan Yılmaz als Linksverteidiger Nummer zwei statt Caner Erkin mag als eine solche durchgehen, ist aber gerade auch perspektivisch sicherlich keine falsche Wahl. Salih Uçan hätte eine Nominierung nach seiner starken Saison sicherlich verdient gehabt, hier gab es aber zumindest Irritationen bezüglich seiner Nasenverletzung. Auch der Verzicht auf Serdar Dursun überrascht auf den ersten Blick nicht, hat man doch den Eindruck, dass der Darmstädter nie wirklich im Fokus der Nationalmannschaft stand. Bei näherem Hinsehen ist das allerdings umso irritierender. Betrachtet man nämlich Dursuns Stammposition, muss man festhalten, dass die Türkei hier nicht gerade Spieler im Übermaß hat. Klar, Kapitän Burak Yılmaz ist absolut gesetzt und könnte gar als französischer Meister anreisen. Sein Stellvertreter Cenk Tosun allerdings wird nicht dabei sein und einen annähernd gleichwertigen Ersatz gibt auch der vorläufige Kader nicht her. Enes Ünal ist fester Bestandteil in den Planungen des Nationaltrainers und bei aller Kritik muss man eingestehen, dass der Spanien-Legionär in den jüngsten Qualifikationsspielen zumindest andeuten konnte, was Güneş von ihm erwartet. Der mittlerweile 24-Jährige kam jeweils als Joker für die Schlussviertelstunde und agierte dann lauffreudig und stark im Pressing. Torgefahr strahlte er so nicht aus, eine Entlastung für seine Mitspieler war er aber trotzdem.
Dursun offenbar nichtmal im Blickfeld
Für Torgefahr hinter Yılmaz soll stattdessen Halil Dervişoğlu sorgen. Der 21-Jährige ist zweifelsohne ein großes Talent, ein Knipser ist er allerdings (noch) nicht. Der junge Mann von Galatasaray könnte in Zukunft eine gewichtige Rolle in der Nationalelf spielen, ob er das aktuell schon schafft, ist zumindest fraglich. Die Anlagen sind zweifelsohne vorhanden, die Werte eines Yılmaz allerdings noch längst nicht. Diese hat nur ein türkischer Spieler: Serdar Dursun. 27 Tore und acht Vorlagen in insgesamt 35 Spielen für den Achten der Zweiten Bundesliga sind schlicht und ergreifend beachtlich. Der 29-Jährige, dessen Vertrag ausläuft, war im Prinzip die Ein-Mann-Lebensversicherung der Darmstädter und hätte eine Nominierung absolut verdient gehabt. Es scheint allerdings, als habe Güneş ihn nicht einmal im Blickfeld. Angesprochen auf Alternativen zu Tosun erwähnte der Trainer lediglich Adem Büyük und Muhammet Demir. An der Ligazugehörigkeit kann es eigentlich nicht liegen, schließlich steht mit Kenan Karaman ein weiterer Zweitligaspieler regelmäßig in der Startelf. Trotzdem kann man Dursun unter diesen Umständen eigentlich nur zu einem Wechsel in die Süper Lig raten. Bestätigt er dort seine starke Form der letzten zwei bis drei Jahre, winkt ihm vielleicht auch in Zukunft irgendwann eine Nominierung.
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