Rund eine Woche vor dem Start der Europameisterschaft nimmt das LIGABlatt die türkische Nationalmannschaft genau unter die Lupe und nimmt einen Kadercheck vor. Im dritten Teil der Mini-Serie wird ein Blick auf das Mittelfeld geworfen, wo rund um die Schaltzentrale Hakan Çalhanoğlu viel Kreativität und Offensivgeist schlummert. Umso bedeutender ist die Rolle von Okay Yokuşlu, der vor der Abwehr als Staubsauger fungiert.
Den Abstieg von West Bromwich Albion aus der Premier League konnte Okay Yokuşlu am Ende zwar nicht verhindern, dennoch darf die Leihe zu den "Baggies" als halbjährliche Erfolgsgeschichte verbucht werden. Nachdem der türkische Sechser bei Celta Vigo mehr oder weniger außen vor war, stellte er in den Niederungen der englischen Eliteliga – auch gegen die ganz großen Teams – eindrucksvoll unter Beweis, was ihn so wertvoll macht: Balleroberer, Zweikämpfer, Mentalitätsmonster – ein Spieler, den die türkische Nationalmannschaft so nur mit ihm in den Reihen hat. In einem kreativen Kollektiv, das in der Bewegung nach vorne über jeden Zweifel erhaben ist, nach hinten aber des Öfteren schon seine Mängel aufwies, ist Okay Yokuşlu für Trainer Şenol Güneş Stabilisator und Staubsauger zugleich. Während sich die anderen Kräfte im zentralen Mittelfeld wie İrfan Can Kahveci und Ozan Tufan vornehmlich um die Ballzirkulation und das Angriffsspiel kümmern werden, wird Okay Yokuşlu der Mann fürs manchmal ballferne Grobe werden, für das Ausputzen nach eigenen Ballverlusten, für die notwendige Stabilität und zusätzliche Stütze der Abwehr.
Kann Çalhanoğlu seiner Rolle endlich gerecht werden?
Der andere Chef weiter vorne im Mittelfeld ist Hakan Çalhanoğlu. Der 27-jährige Spielmacher hat mit Milan eine Saison hinter sich, die auf den ersten Blick glorreich erscheint, jedoch auch einige Kratzer aufweist. Mittlerweile erwiesen scheint nämlich, dass Çalhanoğlu nur dann sein volles Potenzial voll ausschöpfen und groß aufspielen kann, wenn der Druck und die Aufmerksamkeit nicht auf ihm lastet. Nicht umsonst fühlte sich der Zehner im Schatten des schillernden Zlatan Ibrahimovic und ohne Fans auf den Tribünenrängen sichtlich wohl. Bei der Europameisterschaft wird das anders sein: Neben Stürmer Burak Yılmaz ist Çalhanoğlu, der Spieler auf den die Augen gerichtet sein werden und der Spieler, der im Zweifel Pfiffe der wieder anwesenden Fans als erstes abbekommen wird. Ob der Regisseur, der mit seiner Spielanlage tatsächlich den Unterschied machen kann, diesem Druck standhält, wird sich zeigen.
Dorukhan Toköz, Taylan Antalyalı und insbesondere auch Orkun Kokçü haben ihr Potenzial in ihren Klubs zwar schon zu Genüge bewiesen, kommen in der Nationalmannschaft aber nicht auf eine zweistellige Länderspielanzahl. Das Trio geht damit als Reserve für die gesetzten Okay Yokuşlu, İrfan Can Kahveci und Ozan Tufan ins Turnier.
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