Mit einer einzigartigen Philosophie hat es Türkgücü München vom Provinz- in den Profi-Fußball geschafft. Auch wenn der Name anderes vermuten lässt, besteht der Klub nicht nur aus türkisch-stämmigem Personal. Das LIGABlatt erklärt die Strukturen des Aufsteigers in die 3. Liga, der mit seinem Leitbild ein Novum im deutschen Profi-Fußball darstellt.
Am 18. September startet für Türkgücü München das Abenteuer 3. Liga und damit als erster Migranten-Klub die Teilnahme am Spielbetrieb des deutschen Profi-Fußballs. Die Geschichte des türkisch-stämmigen Klubs aus der Süddeutschen Millionenstadt München beginnt indes im Jahr 1975. Eine Gruppe türkischer Migranten gründen den SV Türk Gücü München, der fortan im Münchner Dantestadion seine Spiele in der damals drittklassigen Bayernliga austrägt. Nach einer Insolvenz kurz nach der Jahrtausendwende folgen Umbenennungen in Türkischer SV München und die spätere Fusionierung mit Bezirkligisten SV Ataspor München zum SV Türkgücü-Ataspor. Von diesem Klub wird der türkische Investor Hasan Kıvran zum Jahresbeginn 2016 Präsident. Damit beginnt nach jahrelangem Abnutzungskampf in den Niederungen der bayerischen Vororte der Aufschwung. 2019 vollzieht der Klub die letzte Namensänderung zum heute bekannten Türkgücü München, gliedert seine Fußball GmbH aus und steigt dank der sportlichen Expertise des ehemaligen Bundesliga-Trainers Reiner Maurer und dessen Sportlichen Leiters Robert Hettich aus der Versenkung auf. Als souverän führender Spitzenreiter der Regionalliga Bayern wird Türkgücü vom bayerischen Fußballverband wegen der Corona-Situation ordentlich als Aufsteiger in die 3. Liga bestimmt. Der Aufstieg in den Profi-Fußball über Umwege ist perfekt!
Türkgücüs sportlicher Weg ist beeindruckend, doch obliegt auch einer großen finanziellen Investition – und das über Jahre. Der Mann mit dem Geld im Hintergrund ist Hasan Kıvran, der selbst als glühender Anhänger von Beşiktaş gilt. Kivran investiert nicht nur viel Geld für den für Regionalliga-Verhältnisse überdurchschnittlichen Spieler-Etat, er zieht auch große Unternehmen als Sponsoren an Land. "AON", ehemals Hauptsponsor von Manchester United ziert das Trikot, Lebensmittelhersteller "GAZI" sitzt als Premium-Partner im Nacken.
"Bei uns ist es völlig egal, ob die Spieler aus Deutschland, der Türkei oder aus dem Balkan kommen."
Anders als es vielleicht vermuten lässt, spielen bei Türkgücü aber längst nicht mehr nur türkisch-stämmige Spieler. "Wir haben erst im vergangenen Jahr unser Logo angepasst und die bayrische Raute mit reingenommen. Bei uns ist es völlig egal, ob die Spieler aus Deutschland, der Türkei oder aus dem Balkan kommen. Aber natürlich braucht man bei unserem Vereinsnamen den ein oder anderen türkischen Spieler", erklärt Sport-Geschäftsführer Max Kothny gegenüber dem "Sportbuzzer". Es gebe lediglich eine Ausnahme: "Wenn zwei Spieler genau das gleiche Geld kosten, auf der gleichen Position spielen und die Fähigkeiten identisch sind, entscheiden wir uns eher für den Türken. Wir haben dieses Alleinstellungsmerkmal in Deutschland und möchten dieses auch verkörpern", so Kothny über das Modell Türkgücü.
Weil Türkgücü über kein eigenes Stadion verfügt, weicht der Klub in der kommenden Spielzeit in andere Spielstätten innerhalb der Stadt um. Das Grünwalder Stadion, Heimspielstätte unter anderem vom TSV 1860 München und das altehrwürdige Olympiastadion mit einer Zuschauerkapazität von über 60.000 Plätzen sind in der nächsten Saison Türkgücüs Heimat(en). So undurchsichtig und holprig auch manche Strukturen wirken mögen, die Ziele sind klar formuliert. Bis 2023 soll der Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga geschafft werden. Ein ambitioniertes, aber sicherlich nicht gänzlich unmögliches Vorhaben. Schließlich war für dieses Jahr ursprünglich erst der Aufstieg in die Regionalliga Bayern geplant. Jetzt steht Türkgücü München als erster Migranten-Klub im deutschen Profi-Fußball vor dem Start in die 3. Liga.
Foto: Markus Fischer / imago images / passion2press