Seit dem Re-Start der italienischen Serie A ist der AC Mailand ungeschlagen. Überragender Einzelakteur im Korsett der "Rossoneri" ist dabei Hakan Çalhanoğlu. Der türkische Nationalspieler blüht unter Trainer Stefano Pioli auf und macht "König Zlatan" den Herrscher-Titel streitig.

Vor rund zwei Wochen schlug der AC Mailand in einem denkwürdigen Spiel Juventus Turin nach einem 0:2-Rückstand noch mit 4:2. Milan-Stürmer Zlatan Ibrahimovic erklärte danach gewohnt selbstbewusst und provokant: "Wenn ich von Anfang an dabei gewesen wäre, hätten wir um den Scudetto gespielt." Zweifelsohne ist der mittlerweile 38-jährige Weltstar im Team des siebenfachen Champions League-Siegers ein wichtiger Baustein, doch entscheidend für Erfolg und Misserfolg ist der selbsternannte "König von Mailand" nicht. Im Team von Milan-Trainer Stefano Pioli, der bei seiner Ankunft von nicht wenigen Fans verspottet wurde, steht die Mannschaft im Vordergrund. Weil aber jedes gut funktionierende Gebilde einen Regisseur braucht, gibt es doch diesen einen Spieler, der aus dem Kollektiv hervor sticht: Beim derzeit so erfolgreichen AC Mailand ist das Hakan Çalhanoğlu.

Der 26-jährige Türke steht sinnbildlich für den aktuellen Aufschwung des seit Jahren vor sich hin vegetierenden Traditionsvereins der Lombardei. Vor der Corona-Pause stand Çalhanoğlu in 22 Liga-Spielen auf dem Platz, herausgesprungen sind dabei magere vier Torbeteiligungen. Der in Mannheim geborene Türke galt bei Milan schon als gescheitert – und praktisch verkauft: Ein Wechsel scheiterte nur, weil weder die Interessenten aus Leipzig oder von Galatasaray, die aus Mailand geforderten 25 Millionen Euro Ablöse bezahlen wollten. Heute wäre Çalhanoğlu dieses Geld wert. Seit dem Re-Start der Serie A kommt der schussstarke Offensivmann auf neun Scorerpunkte in acht Spielen und ist damit Milans wichtigster Mann im vorderen Bereich.

Çalhanoğlu profitiert vor allem Erfolg der Mannschaft – und Trainer Pioli

Woher die plötzliche Leistungsexplosion entspringt, dürfte auf den ersten Blick rätselhaft erscheinen. Denn genau wie vor der Corona-Pause spielt Çalhanoğlu entweder auf der linken Außenbahn oder im zentral-offensiven Mittelfeld. Neben dem kollektiven Erfolg der Mannschaft, den der eher leise agierende Türke für sein Spiel braucht, liegt das Geheimnis auch im vertrauensvollen Verhältnis zu Trainer Pioli, der Çalhanoğlu vermehrt Freiheiten im Mittelfeld überlässt. Und das zahlt sich für den gesamten Klub aus: Im Rennen um die Europa League-Plätze hat Milan gegenüber den Konkurrenten aus Rom und Napoli aktuell klar die Nase vorn.

Die Teilnahme am Europapokal wäre für die Rossoneri – sowohl aus wirtschaftlicher als auch sportlicher Sicht – eminent wichtig. Im nächsten Jahr läuft dann auch der Vertrag von Çalhanoğlu aus. Statt eines anvisierten Verkaufs wie im vergangenen Winter, kann dann nur eine langfristige Vertragsverlängerung das Ziel aus Milan-Sicht sein. König Zlatan dürfte mit dann 39 Jahren fast ausgedient haben. Der heimliche Herrscher über Mailand ist aber schon jetzt Sultan Çalhanoğlu.

Foto: Marco Bertorello / AFP / Getty Images