Im Meisterschaftskampf musste der FC Bayern nach der gestrigen 2:3-Schlappe in Bochum den nächsten Rückschlag hinnehmen. Auf die anhaltende Trainer-Diskussion reagierte FCB-Boss Dreesen noch gestern Abend mit einer Jobgarantie für Tuchel, vorerst bis zum kommenden Samstag. Blickt man auf die prekäre Gesamtsituation beim Rekordmeister, darf bezweifelt werden, ob ein neuer Trainer überhaupt das Ruder umreißen könnte. Eine Analyse.

Nach der dritten Niederlage in Folge ist die Stimmung an der Säbener Straße getrübter denn je. Auch wenn der Rekordmeister im gestrigen Spiel zumindest in spielerischer Hinsicht und bei der Chancenerarbeitung sich im Vergleich zu den beiden Niederlagen zuvor steigern konnte, ging man in Bochum abermals als Verlierer vom Platz (2:3). Die Rufe nach einem Trainerwechsel werden vor diesem Hintergrund immer lauter. Angesichts der aktuellen Situation hat FCB-Vorstandsvorsitzender Dreesen dem FCB-Trainer Tuchel jedoch Rückendeckung gegeben, und ihn zumindest vorerst auch am kommenden Samstag für das Topspiel gegen RB Leipzig als Trainer an der Seitenlinie bestätigt. Dabei ist ohnehin anzuzweifeln, ob in der aktuellen Situation ein Wechsel auf dem Cheftrainer-Posten wirklich einen Effekt hätte. Denn die Probleme beim Serienmeister sind tiefgreifender und nicht ausschließlich an der Position des Trainers festzumachen.

Fehlentscheidungen in der Kaderplanung

Dass hinsichtlich der Kaderplanung beim Rekordmeister in den letzten Transferperioden nicht immer ein glückliches Händchen bewiesen wurde, bestätigt auch der aktuelle FCB-Kader. Schon seit der Ära Kahn & Salihamidzic wirkt der Kader im Großen und Ganzen unausgewogen. Auch fehlt es offensichtlich auf manchen Positionen an Qualität sowie Führungsstrukturen innerhalb der Mannschaft. Während als Neuzugang einzig Superstar Kane, der allerdings aktuell auch leistungstechnisch, ähnlich wie Sane, etwas abfällt, wirklich eingeschlagen ist, haben alle anderen Akteure mit inkonstanten Leistungen zu kämpfen. In diesem Zusammenhang fällt unter anderem die Defensive auf, die zugegebenermaßen aufgrund von vielen Ausfällen immer wieder in unterschiedlichen Besetzungen aufgelaufen ist, aber keinesfalls gefestigt wirkt. Verstärkungen wurden in der abgelaufenen Winter-Transferperiode mit den Transfers von Dier und Boey zwar getätigt. Inwiefern beide der Mannschaft nachhaltig helfen können, wird man aber noch abwarten müssen.

Unruhiges Umfeld

Neben der sportlichen Krise, kommt auch aus dem Umfeld seit geraumer Zeit immer wieder Unruhe auf, was sich nicht sonderlich positiv auf die Mannschaft auswirkt. Die Unruhen haben dabei ihre Anfänge bereits vor der Tuchel-Ära, die mit den personellen Wechseln auf der Position des Sportvorstands und des Vorstandsvorsitzenden den vorläufigen Höhepunkt nahmen. Trotz der Ernennung von Tuchel zum Chefcoach, halten die Unruhen an, was unter anderem auch auf viele umstrittene Interviews von Tuchel selbst zurückzuführen ist. Da auch auf dem Platz die Leistungen zurzeit ausbleiben, trägt das alles nicht zur Verbesserung der Situation bei. Vielmehr ist die Verunsicherung und die Last auch bei den Spielern auf dem Platz zu erkennen, die Woche für Woche die erhoffte Trotzreaktion vermissen lassen.

Plan B aktuell nicht in Sicht 

Hinsichtlich des Saison-Endspurts wäre unter den genannten Aspekten ein Trainerwechsel wohl mehr ein weiterer Verzweiflungsakt als ein kluger Schachzug der Führungsetage. Vor allem ist angesichts der genannten Aspekte, und der weiterhin mehr als unbefriedigenden Personalsituation, keinesfalls sichergestellt, dass ein neuer Mann an der Seitenlinie in der Kürze der Zeit das Ruder umreißt. Auch scheint es zum aktuellen Zeitpunkt keinen wirklichen Plan B in Form eines Assistenztrainers zu geben, der den Rekordmeister zumindest bis zum Saisonende als Mann an der Seitenlinie führen könnte. Umso schwieriger ist es einen gestandenen Coach zu finden, der das sinkende Schiff, das Richtung der ersten titellosen Saison seit 2011/12 hinsteuert, übernimmt. Ein Neuanfang, der wohl einen radikalen Umbruch in sämtlichen Aspekten umfassen wird, ist strategisch wohl eher im Sommer als jetzt inmitten der Saison angebracht. Auch vor diesem Hintergrund wäre eine weitere, unüberlegte Kurzschlussreaktion in Form eines Trainerwechsels, wie im Falle der Nagelsmann-Entlassung, nicht förderlich. Die großen Baustellen beim Rekordmeister würde selbst ein potentieller Tuchel-Rauswurf wohl nicht lösen.

Foto: ALBERTO PIZZOLI/AFP via Getty Images