Der FC Bayern München hat im Topspiel am Samstagabend gegen die Eintracht aus Frankfurt das dritte Mal in Folge 1:1 gespielt und hat damit seit dem Ende der Winterpause lediglich drei von neun möglichen Punkten geholt und hat damit aktuell in der Bundesliga nur noch einen Punkt Vorsprung vor dem Tabellenzweiten Union Berlin. Nun stellt sich natürlich die Frage, wieso der FC Bayern nicht seine gewohnte Dominanz auf den Platz bekommt. In dieser Taktikanalyse arbeiten wir nacheinander die Probleme bei den Bayern auf und erklären, warum dieser Leistungseinbruch kein Zufall ist. Eine Analyse von LIGABlatt-Redakteur Ove Frank.

Drei Spiele, drei Unentschieden, kein Sieg! Das sind natürlich nicht die Ergebnisse, die man an der Säbener Straße in München erwartet hätte. Der FC Bayern wirkte in den vergangenen drei Spielen gegen Leipzig, Köln und Frankfurt nicht so dominant, wie man es die letzten Jahre vom Rekordmeister gewohnt war. Stattdessen menschelte es an vielen Ecken, sodass es auch nicht wirklich den Eindruck machte, dass die drei Unentschieden allein durch mangelndes Spielglück zu erklären seien. Spoiler: Das sind sie auch nicht!

Der FC Bayer hat nicht eine, sondern viele Baustellen

Was man definitiv sagen kann, ist, dass die aktuelle Durststrecke nicht nur durch einen Missstand zu erklären ist, sondern gleich durch mehrere. Das letzte Spiel gegen die Frankfurter Eintracht war exemplarisch für die Baustellen des Rekordmeisters und soll in dieser Analyse als narrativer Ankerpunkt genutzt werden:

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Formationen des Spiels FC Bayern München (rot) – Eintracht Frankfurt (weiß): 
Startaufstellung FC Bayern München: 27-Sommer / 19-Davies / 4-de Ligt / 2-Upamecano / 44-Stanišić / 6-Kimmich / 11-Coman / 25-Müller / 42-Musiala / 10-Sané / 13-Chupo-Moting 
Startaufstellung Eintracht Frankfurt: 1-Trapp / 20-Hasebe / 2-Ndicka / 35-Tuta / 17-Rode / 8-Sow / 36-Knauff / 27-Götze / 29-Lindström / 24-Buta / 9-Kolo Muani 

In den Startaufstellungen erscheint es, dass der FC Bayern in einer 4-1-4-1-Formation antreten würde, während die Frankfurter als Aufstellung ein 3-2-4-1 mit zwei variablen Schienenspielern auf den Außenpositionen gewählt hätten. Im Spiel selbst sah das ganze allerdings merklich anders aus. Während Frankfurt einen klassischen Konterfußball mit erwartbaren Fixpunkten spielte, der dabei einer klaren taktischen Maßgabe folgte, wirkte das bei den Bayern merklich anders. Hier spielten alle Akteure zwar so, wie es den eigenen Stärken entsprach, doch litt darunter das Gemeinschaftsgefüge.

Während die Aufstellung der Bayern den Eindruck erweckt, dass Kimmich als Abräumer, respektive tiefer Spielmacher agieren würde, schaltete dieser sich in den vergangenen drei Partien der Bayern vor allem ins Offensivspiel seiner Mannschaft ein, wobei er es nicht einfach unterstützte, sondern lenkte. Stanišić und vor allem Davies schoben mit nach vorne, um offensiv weitere Anspielstationen zu bieten und den Gegner am eigenen Strafraum einzuschnüren. Als Absicherung blieben lediglich die beiden Innenverteidiger de Ligt und Upamecano. Beide schoben aber extrem hoch, sodass sie einen Großteil des Spiels in der gegnerischen Hälfte standen, wobei de Ligt in den letzten Spielen immer wieder vorstieß, um Abpraller zu verwerten und auch mal aus der Distanz aufs Tor zu schießen. Je nach Gemengelage tauschen beide Innenverteidiger gerne mal untereinander ihre Position.

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Realtaktische Aufstellungen bei Ballbesitz Bayern. 

Während Coman bei den Bayern primär außen bleibt, rückt Davies gerne ein, um ins Eins-gegen-Eins zu gehen und Fouls zu ziehen, oder in den gegnerischen Strafraum zu gelangen. Musiala auf der anderen Seite rückt eher nach außen, während Sané auf rechts in den Strafraum einläuft, um hier eine weitere Anspielstation zu bieten. Kimmich schiebt indes vor, während Stanišić den rechten Halbraum besetzt. Das Spiel der Bayern sieht die meiste Zeit so aus, da sie sich die längste Zeit im Ballbesitz befinden. Nagelsmann will einen sehr variablen Offensiv-Fußball mit schnellem Kurzpassspiel und vielen Tiefenläufen spielen, um so die gegnerische Abwehr auszuhebeln. Hierfür entscheidend ist vor allem Kimmich, der so seine berüchtigten Chip-Bälle hinter die Abwehr spielen kann, wo er mit Sané den idealen Abnehmer findet.

Nagelsmanns Taktik geht nicht wirklich auf – ihm fehlt der Stoßstürmer

Auch wenn die Bayern den Ball meistens gekonnt laufen lassen und für viel Bewegung im gegnerischen Strafraum sorgen, wird die gewünschte Durchschlagskraft nur selten erreicht. Schuld daran ist einerseits die mangelnde Chancenverwertung andererseits die das simple aber effektive Gegenmittel – die Dreierabwehrreihe. Mit drei Innenverteidigern, einem abfallenden Sechser und einem Schienenspieler, der ebenfalls die eigene Abwehr unterstützt (in diesem Fall Buta mit der 24), kommt das Überzahlspiel der Bayern am und im gegnerischen Strafraum nicht wirklich zum Tragen. Mit dafür verantwortlich ist das Bewegungsspiel von Mittelstürmer Chupo-Moting.

Eric Maxim Chupo-Moting ist ein guter Bundesliga-Stürmer, der technisch versiert ist und beidfüßig vorm Tor gefährlich werden kann. Für Nagelsmanns Fußball braucht es darüber hinaus aber vor allem ein Gespür, durch eigene Bewegungen Räume zu finden und für die eigenen Mitspieler zu schaffen. Das gelingt nicht so oft, weshalb er nur selten zum Abschluss kommt und für die Bayern ungewohnt wenige Tore fallen. Darin unterscheidet sich Chupo-Moting durch andere Topstürmer wie Lewandowski oder Haaland gewaltig. Diese stehen so oft richtig, da sie vor allem das Spiel ohne Ball beherrschen und einfach diesen Killerinstinkt aufweisen, den man auch nur schwer lernen kann. Haben sie dazu noch die nötige Physis, eine gute Technik und einen gefährlichen Abschluss, sind Tore in so einem Offensiv-Spiel eigentlich nicht zu verteidigen. Manchester City und Barça spielen ähnlich, mit einem kleinen aber feinen Unterschied:

Den Bayern fehlt ein echter Sechser 

Das größte Problem der Bayern ist jenes, dass Kimmich zu viele Aufgaben auf einmal erledigen muss. Nominell spielt er zwar als Sechser im defensiven Mittelfeld, soll aber gleichzeitig den Ballverteiler im Offensivspiel der Bayern mimen. Dadurch rückt er bis zur gegnerischen Strafraumgrenze vor und hinterlässt so ein gewaltiges Loch im Mittelfeld, in das gegnerische Spieler natürlich einrücken können. Kimmich hat zwar auch die nötigen Defensivfähigkeiten, doch da gerade Müller aktuell schwächelt und offensiv für wenig Kreativität sorgt, übernimmt Kimmich dessen Aufgaben gleich mit. Die Bayern bräuchten einen echten Sechser, der die Lücke zwischen Defensive und Offensive schließt. Bei City übernimmt Rodri diese Rolle, bei Barça Busquets.

Eine Möglichkeit, dies aufzufangen, wäre die Maßgabe an einen der Außenverteidiger, sich tiefer fallen zu lassen, um defensiv eine Dreierkette zu bilden und so weniger konteranfällig zu sein, doch Davies schaltet sich dafür offensiv zu viel ein und Stanišić scheint die Maßgabe bekommen zu haben, als zusätzliche Anspielstation im rechten Halbfeld zu bleiben. Hier ist es eine Kombination aus spielerischen Unvermögen auf den entscheidenden Stellen sowie aus taktischer Sturheit des Trainers, weniger die eigenen Schwächen auszugleichen, als viel mehr ein variables Offensivspiel zu haben. Das muss sich Nagelsmann ankreiden lassen. Ein weiterer Punkt ist der Ausfall von Neuer: Sommer ist auf der Linie zwar sehr stark, was Neuer aber auszeichnete, ist die Fähigkeit als eine Art Libero zu agieren, weit rauszukommen und Konter zu unterbinden, was eine zusätzliche defensive Absicherung bedeutete. Sommer ist einfach eine andere Art Torwart.

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Rote Pfeile = Bewegungen der Bayern, weiße Pfeile = Bewegungen der Eintracht, blaue Pfeile = Schüsselpässe.

Es ist ersichtlich, dass bei einer defensiven Dreierkette des Gegners, das offensive Überzahlspiel der Bayern nicht wirklich greift, wenn sich der Mittelstürmer zu statisch verhält. Außerdem hinterlässt Kimmich durch sein offensives Spiel eine große Lücke im Mittelfeld, die bei vorstoßenden Gegenspielern schnell dazu führt, dass die Bayernabwehr mit Steilpässen überspielt wird. Wenn kein neuer da ist, der diese Pässe abfängt, werden gegnerische Konter schnell sehr gefährlich. Ein Musterbeispiel hierfür war der Ausgleichtreffer durch Kolo Muani für Eintracht Frankfurt, bei dem Kamada (zuvor eingewechselt) und er die bayrische Abwehr auf dem falschen Fuß erwischt haben und die Bayern sich anschließend defensiv nicht mehr ordnen konnten.

Entweder Nagelsmann stellt um, oder es müssen neue Spieler her! 

Julian Nagelsmann will offensichtlich seinen auf Ballbesitz ausgerichteten Offensiv-Fußballspielen. Das Problem hierbei ist, dass die aktuelle personelle Lage das nicht wirklich zulässt. Weder haben die Bayern einen dafür geeigneten Mittelstürmer, noch einen Sechser, der auch die entsprechenden Defensivaufgaben übernimmt. Sommer ist zudem nicht Neuer, der als freier Libero agieren kann. Die Lösung wäre entweder ein weniger erzwungen offensiver Stil in einem 4-2-3-1, eine taktische Umstellung auf eine Dreierkette, oder die Verpflichtung eines echten Sechsers auf dem Transfermarkt. Diese Position wiegt derzeit schwerer als ein Stürmer, da das Offensivspiel auch durch Geschwindigkeit aufgefangen werden kann.

Eindeutig ist aber, dass die schwachen Ergebnisse aus den letzten Spielen keine Zufälle waren, da die Bayern aktuell zu leicht auszurechnen sind. Es ist der individuellen Klasse der Spieler zu verdanken, dass die Münchner dennoch das Spielgeschehen bestimmen und immer auch für ein Tor gut sind, selbst wenn es ein Weitschuss aus 30 Metern wie gegen Köln ist. Nagelsmann kann aber nicht krampfhaft an diesem Stil festhalten, wenn ihm dafür aktuell unter anderem durch verletzungsbedingte Ausfälle das Personal fehlt.

Foto: Allexander Hassenstein/Getty Images