Die Entlassung von Julian Nagelsmann sorgte beim FC Bayern für ein sportliches Erdbeben. Bereits nach kurzer Zeit haben die FCB-Verantwortlichen mit Thomas Tuchel den Nachfolger gefunden. Mit dem 49-Jährigen kommt ein detailversessener Fußball-Fanatiker an die Säbener Straße, der charakterlich aber auch Risiken birgt. Das LIGABlatt stellt den neuen FCB-Trainer vor.

"Ich habe nur wenige Leute kennengelernt, die so intelligent sind", waren einst die Worte des mehrfachen Welttorhüters Gianluigi Buffon, der während seiner Zeit bei PSG bei der Figur Thomas Tuchel ins Schwärmen geriet. Und tatsächlich hat sich der 49-Jährige binnen weniger Jahre, vor allem seinen Stationen im Ausland zu verdanken, zu einem der aktuell weltbesten Trainer gemausert. Auch an der Säbener Straße kursiert der Name Thomas Tuchel bereits seit geraumer Zeit. Der Zeitpunkt jetzt ist zwar überraschender denn je, doch letztlich war es nur eine Frage der Zeit, bis der mittlerweile 49-Jährige als neuer Mann an der Seitenlinie bei den Bayern anheuert. Nach Stationen bei Mainz 05, Borussia Dortmund, Paris SG und Chelsea wird der Rekordmeister die fünfte Trainer-Station im Profigeschäft. Beschreibungen wie Taktik-Fuchs, Fußball-Fanatiker oder auch Kontroll-Freak beschreiben den in Krumbach geborenen Schwaben am besten. Doch genau letzteres machen den neuen Bayern-Trainer zu einer guten Nachfolge-Lösung für den gefeuerten Nagelsmann: Der unbändige Wille sowie die Besessenheit nach Erfolg lassen den ebenso nach Erfolg strebenden FC Bayern als neuen Arbeitgeber zu einem perfekten Match aufsteigen. Vor allem sportlich werden die Bayern mit Tuchel weiterhin sehr gut aufgestellt sein.

Taktisch Variabel, menschlich emotional

Sportlich werden die Bayern, ähnlich wie es bereits bei Nagelsmann der Fall war, einen weiteren Taktik-Fuchs an der Seitenlinie bekommen. Der 49-Jährige gilt als Trainer, der auch innerhalb einer Partie seine taktische Ausrichtung mehrmals verändern und so für den Gegner unberechenbar werden kann. Als wesentliches Merkmal in seiner Spiel-Philosophie gilt die aggressive Vorwärtsverteidigung, was gut zur Philosophie sowie dem aktuellen Spielermaterial der Bayern passt. Neben der außergewöhnlichen Möglichkeit, mit dem FCB in dieser Saison noch das Triple zu erreichen, birgt der Trainer-Wechsel aber auch entsprechende Risiken. Der international begehrte Fußball-Lehrer, der 2021 mit dem Gewinn der Champions League mit Chelsea sportlich auch seine letzten Kritiker verstummen ließ, gilt nämlich als spezieller Charakter. So variabel Tuchel taktisch und sportlich agieren mag, so wechselhaft kann letzterer auch an der Seitenlinie agieren. Gerade wenn es auf dem grünen Rasen nicht läuft, ist Tuchel jemand, der seinen Frust auch gerne mal freien Lauf lässt. Sowohl Spieler als auch Schiedsrichter und Trainer werden dann zu den Leidtragenden. Als Paradebeispiel dafür gilt der berühmt-berüchtigte Disput mit Tottenham-Trainer Conte, der neben einer Rudelbildung nach Abpfiff der Partie auch für einen Eklat in der Premier League sorgte. Derartige Ausreißer an der Seitenlinie, aber unter anderem auch Differenzen mit der Vereinsführung, sind Tuchel bereits mehrmals zum Verhängnis geworden, was auch beim neuen Arbeitgeber gewisse Risiken birgt. 

Kurze Trainer-Stationen, umstrittene Trennungen

Abgesehen von seiner ersten Station im Profifußball bei Mainz 05, wo er auf Jürgen Klopp folgte und zwischen 2009 und 2014 und eine Ära prägte, war die Verweilzeit bei seinen darauffolgenden Vereinen nicht mehr annähernd so lang. Seine Stationen bei Dortmund (2015-2017), Paris SG (2018-2020) und Chelsea (2021-2022) gingen nie länger als knapp zwei Jahre, was viele auf seinen Charakter zurückführen. Beim BVB gingen der Trennung Meinungsverschiedenheiten mit der damaligen Chef-Etage um Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc voraus. Bei PSG führte das schwierige Verhältnis zum Sportdirektor Leonardo letztlich dazu, dass Tuchel in jenem Jahr 2020 etwas kurios am Heiligabend seine Koffer packen musste. Auch die Entlassung bei Chelsea, wo die Differenzen mit den neuen US-amerikanischen Investor und Klubbesitzer Todd Boehly als Hauptgrund genannt werden, lassen Tuchel und seinen Charakter in kein gutes Licht rücken.

Aus Sicht des FC Bayern kann nur gehofft werden, dass die Zusammenarbeit mit der Chef-Etage reibungslos verlaufen wird. Nach turbulenten Jahren, die mit der Entlassung von Nagelsmann das nächste dunkle Kapitel schreiben, wünscht man sich schließlich auch an der Säbener Straße Kontinuität auf dem Trainer-Posten. Sportlich ist es Thomas Tuchel zweifelsohne zuzutrauen, eine neue Ära beim Rekordmeister zu prägen.

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