Die Chance auf ein Weiterkommen war auch vor dem letzten Gruppenspiel nur noch theoretischer Natur. Gegen die Schweiz hatten die Türken allerdings zumindest die Gelegenheit, ein anderes Gesicht als gegen Italien und Wales zu zeigen und sich so ein wenig mit den Fans zu versöhnen. Nach einem frühen Rückstand brach das Team allerdings abermals ein und fährt so als Tabellenletzter verdient nach Hause.

Şenol Güneş wich erneut von seiner ursprünglichen Stammelf ab und wechselte gleich dreimal: der verletzte Umut Meraş, Okay Yokuşlu und Kenan Karaman rotierten auf die Bank bzw. die Tribüne. Müldür, Demiral sowie Kahveci bekamen dafür das Mandat von Anfang an. Ayhan startete somit als alleiniger Sechser im 4-3-3 und Müldür besetzte den linken defensiven Part.

Bereits in den ersten Minuten zeigte die Türkei mehr Spielfreude und Esprit als in den bisherigen 180 Minuten der EM. Kaan Ayhan prüfte Yann Sommer mit einem satten Fernschuss und es schien tatsächlich so, als würden die Spieler alles daran setzen wollen, die bisherigen schwachen Eindrücke zu widerlegen. Dann allerdings schlug die Schweiz eiskalt zu. Zunächst konnte Zuber unbedrängt wirbeln, dann setzte er Haris Seferović in Szene. Der Mittelstürmer zog von der Strafraumgrenze ab und traf die Türken mit einem satten Flachschuss mitten ins Herz (6.). In der Folge schüttelten sich die Männer in weiß, sammelten sich, rannten wieder hoffnungsvoll an – und fingen sich den nächsten Gegentreffer. Erneut wurde Zuber nicht vernünftig angegangen, erneut kam der Ball zu Seferović an der Strafraumkante, doch dieses Mal legte der Schütze des 1:0 noch einmal ab und Xherdan Shaqiri schlenzte den Ball perfekt ins rechte obere Eck (26.). Kurze Zeit später wäre das Spiel beinahe bereits entschieden gewesen, dieses Mal rettete Uğurcan Çakır allerdings stark gegen den heraneilenden Shaqiri. Auf der anderen Seite war Aushilfs-Linksverteidiger Mert Müldür der auffälligste und gefährlichste Akteur. Zählbares wollte auch ihm allerdings nicht gelingen und so ging es mit einem 0:2 in die Pause.

Erster eigener Treffer, nächstes Gegentor

Trotzdem ging es personell unverändert weiter. Zwar war spätestens jetzt auch dem größten Optimisten klar, dass sich die Türkei sang- und klanglos aus dem Turnier verabschieden würde. Zumindest für die Ehre wäre ein letztes Aufbäumen allerdings umso wichtiger gewesen. Den Spielern war mittlerweile allerdings anzumerken, dass sie mit der Situation völlig überfordert waren. Lediglich die fehlende Konsequenz des Gegners verhinderte einen höheren Rückstand, während Yann Sommer mittlerweile einen ruhigen Abend verlebte. Spieler und Trainer wirkten gleichsam gelähmt und ließen die Schweizer weitestgehend gewähren. Dann allerdings nahm sich İrfan Can Kahveci ein Herz, zog auf und versenkte den Ball gefühlt aus dem Nichts im Netz (62.). Ein schöner Treffer, der auch die Lebensgeister der zahlreichen anwesenden Fans zumindest kurzzeitig zurückholte. Dann aber ließen sich die Türken erneut abkochen und fingen sich einen schönen Konter, an dessen Ende erneut Shaqiri als Vollstrecker fungierte (68.). Die Schweiz wechselte nun offensiv, wohl wissend, dass ein eventueller Kantersieg im Kampf um ein Weiterkommen noch von Nutzen sein könnte. An den drei Punkten für die "Eidgenossen" gab es zu diesem Zeitpunkt bereits keine Zweifel mehr, weitere Treffer wollten allerdings nicht mehr fallen. Die Schweiz muss daher bangen. Für den vermeintlichen Geheimfavoriten vom Bosporus beginnt die Aufräumarbeit.

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