Nach der historisch schlechten, vergangenen Saison mit zwischenzeitlichem Abstiegskampf hat Fenerbahçe im Sommer einen radikalen Umbruch vollzogen. Doch die zahlreichen, namhaften Neuzugänge sind noch in der Findungsphase. Mit Torwart Volkan Demirel verabschiedete sich – gezwungenermaßen – eine Legende, mit Emre Belözoğlu kam eine andere zurück. Setzen die abgestürzten "Kanarien" nach nur einer Saison tatsächlich wieder zum Höhenflug an? Der Saisoncheck von LIGABlatt-Redakteur Mario Herb.

Kommen und Gehen

Zweifelsohne landete Fenerbahçe in der aktuellen Wechselperiode die spektakulärsten Transfers. Bei Max Kruse habe man sich sogar gegen Schwergewichte aus ganz Europa durchgesetzt. Der 31-jährige Deutsche dürfte in Normalform sofort zu einem der besten Spieler der Liga zählen. Genauso bemerkenswert ist die Rückkehr von Emre Belözoğlu, der mit fast 40 Jahren nochmal für seinen Herzensklub die Schuhe bindet und das Team als Leitwolf führen soll. Vedat Muriqis Verpflichtung war derweil ein klarer Fingerzeig an den Erzrivalen von Galatasaray, die ebenfalls stark am kosovarischen Nationalstürmer interessiert waren. Auch die zweijährige Leihe von Garry Rodrigues kann als kleiner Seitenhieb gegen den Rekordmeister gewertet werden. Mit Muğlat Saglam (Wolfsburg II) und Allahyar Sayyadmanesh (Esteghlal FC) kamen zudem junge Kräfte, die ihr Potenzial in der Vorbereitung direkt zeigten. In der Abwehr kam mit Zanka (Huddersfield) ein erfahrener dänischer Nationalspieler. Der Transfer von dessen Teamkollege Simon Kjaer steht noch genauso bevor wie der von Linksverteidiger Aleksandar Kolarov.

Mit Eljif Elmas ging der Shooting-Star der vergangenen Saison. Der Wechsel des 19-jährigen Nord-Mazedoniers brachte Fenerbahçe aber stolze 16 Millionen Euro ein. Die bisherigen Stammspieler Soldado (Granada), Valbuena (Olympiakos), Škrtel (Bergamo), Sener (Galatasaray) und Neustädter (Dynamo Moskau) verließen den Verein dagegen ablösefrei. Benzia, Ayew sowie der glücklose Slimani kehrten nach Leih-Enden ebenfalls zu ihren Klubs zurück. Der Vertrag von Volkan Demirel (seit 2002 im Verein) wurde erstmals nicht für die kommende Saison verlängert.

Vorbereitung und Testspiele

Gegen die zweitklassigen Gegner von Bursa (2:0) und Bolu (2:0) startete man zunächst souverän. Als es aber gegen gleichwertige oder bessere Gegner ging, wurden die Defizite – insbesondere im Abwehrbereich – gnadenlos offenbart. Der Audi-Cup mit den Auftritten gegen Bayern München (1:6) und Real Madrid (3:5) stehen sinnbildlich dafür. Trainer Ersun Yanal musste dabei in der Vorbereitung in der Abwehr oft variieren, konnte praktisch nie mit vier „echten“ Verteidigern spielen. Die Verletzung von Kapitän Hasan Ali Kaldırım kommt erschwerend hinzu. Zum Saisonauftakt im eigenen Stadion gegen Cagliari gab man einen 2:0-Vorsprung – abermals durch individuelle Defensivfehler verschuldet – selbst aus der Hand.

Prognose

Mit Spielen gegen Başakşehir, Trabzon und Galatasaray an den ersten sechs Spieltagen hat Fenerbahçe ein schweres Auftaktprogramm. Gelingen Siege gegen die direkten Kontrahenten könnten die Kadıköy-Kicker auf einer Euphorie-Welle bis Jahresende reiten. Misslingen jedoch diese Prestige-Duelle droht schnell wieder neuer Ärger. Eine vergleichbare Saison wie im letzten Jahr wird es trotzdem nicht geben. Am Ende erreicht Fenerbahçe mindestens Platz vier.