Demut, Altruismus und Empathie sind Eigenschaften, die in der Türkei rar gesät sind, vor allem bei Fußball-Funktionären. Bei Fenerbahçe sind es genau diese Charakterzüge, die das Trio Erol Bulut, Emre Belözoğlu und Ali Koç derzeit so erfolgreich operieren lässt.

Es waren Worte, die man so im türkischen Fußball nur selten zu hören bekommt. Als Prädisent Ali Koç vor wenigen Tagen über die vergangene Transerperiode mit zahlreichen Zu- und Abgängen sprach, nannte er das Beispiel Vedat Muriqi. Koç, der sich klar gegen einen Verkauf des kosovarischen Angreifers aussprach, ließ sich bei internen Gesprächen mit Trainer Erol Bulut und Sportdirektor Emre Belözoğlu überreden, den Stürmer eben doch zu Lazio ziehen zu lassen. Was klingt wie eine Lappalie, eine ganz normale Absprache zwischen Wortführern in einem Unternehmen, ist im egozentrisch, von Selbstsucht durchzechten türkischen Fußball praktisch nicht vorhanden. Das Wort des Präsidenten bzw. des Rang-Höchsten ist nicht selten in Stein gemeißelt, eine Zulassung anderer Meinungen sind nicht gewünscht. Diese fast schon autoritäre Vorherrschaft im Klub führt jedoch nur selten zum gemeinschaftlichen Erfolg, sondern dient oft einzig der Repräsentation der eigenen Stellung und der Durchsetzung des eigenen Egos.

Emre Belözoğlu geht neue Wege – Koç hat aus Fehlern gelernt

Mit Blick zu den unmittelbar angrenzenden Konkurrenten von Beşiktaş und Galatasaray, sind genau diese Parameter omnipräsent gegeben. Die in der Vergangenheit oft öffentlich ausgetragenen Fehden zwischen GS-Präsident Mustafa Cengiz und Trainer-"Imperator" Fatih Terim haben dem Klub genauso geschadet wie bei Beşiktaş der Zwist zwischen Sergen Yalçın, dessen Bruder und deren Einfluss auf der Management-Ebene.

Fenerbahçe glänzt zu diesem Zeitpunkt eher mit Zusammenhalt und einem gegenseitigen Zuarbeiten, anstatt gegeneinander zu arbeiten. Präsident Ali Koç hat nach zwei schwierigen, nicht von Erfolg geprägten Jahren, dazu gelernt und jetzt bewusst mehr Aufgabengebiete an Sportdirektor Emre Belözoğlu abgegeben – vor allem Sachverhalte, die eher dem sportlichen als dem kaufmännischen Bereich zuzuordnen sind. Gleichzeitig legt der 39-jährige Neueinsteiger trotz öffentlicher Lobeshymnen eine selten gesehene Demut an den Tag. Die insgesamt 16 getätigten Transfers seien kein – wie vom Großteil der Fans und Medien empfundener – Erfolg. Sie sind nur die Basis für alles weitere, was kommt. Und da kommt vor allem die Jugend ins Spiel. Zeitnah sollen die Trainingsgelände der Profi- und Nachwuchsabteilung zusammengelegt werden – eine Handhabung, die in der Türkei bis dato selten bis gar nicht vollzogen wurde, in der von Emre Belözoğlu bekannten Welt der europäischen Top-Ligen aber schon seit Jahren völlig geläufig ist.