Nicht nur aufgrund seiner zwei Treffer war Ozan Tufan mal wieder Fenerbahçes auffälligster Spieler im Derby. Sein Auftritt zeigt gleichzeitig aber auch, woran es beim Mittelfeldspieler – und seinem Verein – derzeit hapert.
Es war eine geradezu sinnbildliche Szene für Ozan Tufans gesamten Auftritt: tief in der eigenen Hälfte eroberte der 25-Jährige stark den Ball, stürmte daraufhin unaufhaltsam vorbei an Freund und Feind bis an die gegnerische Strafraumgrenze und schoss die Kugel dann mit halber Kraft in die Beine eines Verteidigers. Tufan will mit dem Kopf durch die Wand. Dass das funktionieren kann, hat er schon öfter bewiesen und auch sein zwischenzeitlicher Anschlusstreffer zum 2:3 war eine Willensleistung. Dass er in Abwesenheit der nominellen Schützen Perotti und Sosa den Elfmeter in der Nachspielzeit versenkte, passt da außerdem genau ins Bild. Als unermüdlicher Box-to-Box-Spieler ist Tufan weder bei den "Kanarienvögeln" noch in der Nationalmannschaft aus der ersten Elf wegzudenken. Der Mittelfeldspieler punktet durch unermüdlichen Einsatz und ist sich auch nicht zu schade, die Drecksarbeit zu erledigen, damit seine Nebenmänner glänzen können. Trotzdem fällt es schwer, Tufan Bestnoten zu geben. Sein Spiel ist zu häufig zu ungestüm, seine wilden Versuche aus der zweiten Reihe zum Erfolg zu kommen dazu meistens zu ungefährlich. Es vergeht kaum ein Spiel, in dem seine Nebenleute ihn nicht entgeistert anstarren, weil er sie geflissentlich übersehen und den Ball stattdessen aus 30 Metern weit über die Querlatte gehämmert hat.
Zu viele Diskussionen
Auch das gesamte Auftreten Tufans hat sich gewandelt. Vorbei sind die Zeiten, in denen Gewichtsprobleme, unzureichende Trainingsleistungen oder lustlose Auftritte die Berichte über ihn bestimmten. Tufan arbeitet hart an sich und versucht auch auf dem Platz voranzugehen. Auch hier schießt er aber leider noch zu häufig über das Ziel hinaus. Bestes Beispiel wieder das Derby: quasi in jeder strittigen Szene wurde der Mann aus Bursa beim Schiedsrichter vorstellig, lamentierte und kritisierte die getroffenen Entscheidungen. Dass er seine erste Verwarnung erst nach seinem heftigen Disput mit Valentin Rosier zum Ende des Spiels erhielt, war da beinahe schon ein kleines Wunder. Schon in der letzten Saison tat sich Tufan als Hitzkopf hervor, der während seiner Schiedsrichterschelte häufig den roten Faden im Spiel verlor. Das zumindest konnte ihm im Derby nicht nachgesagt werden.
Sinnbild für Fenerbahçes bisherige Saison
Die oben angesprochene Szene steht aber nicht nur sinnbildlich für Tufans Probleme, sondern fasst Fenerbahçes bisherige Saison gut zusammen. In Sachen Einsatz und Pressing sind die Gelb-Marineblauen top. Geht es aber um Spielkultur und eine klare taktische Marschroute bei eigenem Ballbesitz, fehlen zu oft die zündenden Ideen. Chancen bleiben Mangelware und trotz technisch hochbegabter Spieler, wie Sosa, Perotti, Pelkas oder Yandaş fällt den "Kanarienvögeln" häufig zu wenig ein. Auch deshalb kommt es umso mehr auf Ozan Tufan an. Für ihn gilt wie für seinen Verein: großes Potential ist vorhanden, aber das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass noch viel Luft nach oben ist.