Nach dem 1:1 gegen Gençlerbirliği überwog bei Fenerbahçe die Ernüchterung. Vorerst ist man zwar auf Platz 5 vorgerückt, Muriqi und Rodrigues hätten allerdings in der Schlussphase fast noch die drei Punkte eingefahren. Ein Sieg wäre also möglich gewesen. Betrachtet man allerdings das ganze Spiel, ist das Unentschieden mehr als gerecht.

Was die Abwehr Fenerbahçes alleine in den ersten 20 Minuten anbot, war schlicht und ergreifend nicht erstligareif. Nun könnte man es sich einfach machen und die Schuld einem Einzelnen geben. Ersatzverteidiger Jaílson erwischte (erneut) einen rabenschwarzen Tag und verursachte fast im Alleingang drei Großchancen für den abstiegsbedrohten Gegner. Dabei ist der Brasilianer ein guter Spieler – auf der Sechs, wenn er das Spiel vor sich und vor allem noch zwei Verteidiger hinter sich hat. Als Innenverteidiger ist er viel zu fehleranfällig. Trotzdem besetzt er wieder und wieder diese Position. Nicht weil die jeweiligen Trainer es nicht besser wüssten, sondern weil sie schlicht keine anderen Möglichkeiten haben. Die Kaderplanung in der Defensive ist und war katastrophal. Rami, Zanka und Isla wurden abgegeben, ohne dass adäquater Ersatz verpflichtet wurde und wenn dann ein Spieler wie Aziz ausfällt, fällt das Kartenhaus zusammen. Mittlerweile befinden sich im Kader nur noch drei gelernte und fitte Verteidiger – Außenverteidiger mit eingerechnet. Diese Fehlplanung führte dann gegen Gençlerbirliği dazu, dass nach 20 Minuten der nominelle Zehner Ozan Tufan und der gelb-rot-gefährdete Jaílson die Plätze tauschten. Während der Brasilianer auf der Zehn tatsächlich ordentlich spielte, stand Ersatzinnenverteidiger Tufan falsch und fing sich ebenfalls prompt die gelbe Karte. Trotzdem musste der Allrounder auch im zweiten Abschnitt das Abwehrzentrum bewachen. Andere Optionen gab es nicht mehr.

Schlechte Abstimmung und individuelle Fehler

Doch auch der Rest der Abwehr, um Falette, Kaldırım und Dirar ist und war immer wieder für einen Fehler gut. Beim 0:1 durch Stancu befand sich zum Beispiel die gesamte Defensive mal wieder im Tiefschlaf und die Zuordnungen stimmten nicht. Nicht umsonst wies Altay Bayındır nach dem knappen Sieg gegen Göztepe bereits auf die hohe Fluktuation in der Viererkette hin. Während andere Teams mit einer eingespielten Abwehr durch die Saison gehen, muss bei Fenerbahçe quasi an jedem Spieltag munter durchgewechselt werden und positionsfremde Spieler sollen den Laden dicht halten. Gänzlich freisprechen kann man dazu allerdings leider auch den jungen Torwart nicht. Zwar rettete er sein Team gegen Gençlerbirliği mit tollen Paraden wiederholt vor einem (höheren) Rückstand, seine Strafraumbeherrschung gerade bei Standards ist allerdings nach wie vor oft schlecht. Diese Schwäche ist seinem Alter geschuldet und wäre mit einer besseren Vordermannschaft weniger dramatisch – so trägt allerdings auch das Toptalent mitunter zur Verunsicherung bei.

Die gute Nachricht ist, dass man bei Fenerbahçe die Zeichen erkannt hat und zur neuen Saison neue Abwehrspieler verpflichten will. Wie genau das mit den aktuellen finanziellen Mitteln funktionieren soll, bleibt dabei die Frage. Sollte man tatsächlich auch Falette und Kaldırım abgeben, bräuchte man mindestens vier neue Verteidiger – und hätte selbst dann noch einen Kader, der auf Kante genäht ist. Doch selbst wenn man starke Verteidiger für Kadıköy begeistern könnte, wären die in den letzten drei Saisonspielen nur Zuschauer. Fenerbahçe will mindestens Platz 5 erreichen und spielt als nächstes gegen die direkten Konkurrenten Sivasspor und Beşiktaş. Es ist schwer vorstellbar, dass Spieler wie Burak Yılmaz oder Mustapha Yatabaré einen ähnlichen Chancenwucher betreiben wie die Spieler von Gençlerbirliği. Bekommt man seine Abwehrsorgen nach der Rückkehr von Serdar Aziz nicht dringend in den Griff, wird man auch das letzte verbliebene Ziel verpassen. Schuld wird dann nicht der Schiedsrichter sein, sondern eine völlig schief gelaufene Transferpolitik.