Das gellende Pfeifkonzert nach Spielschluss dürfte den neuen Spielern und dem Trainerteam einen Eindruck vermittelt haben, wie wenig Kredit die Fans noch gewähren. Die Analyse des Spiels gegen Ümraniyespor muss allerdings auch schonungslos ausfallen.
Eigentlich war alles wie immer: Der Trainer wollte eine gute Leistung gesehen haben und sprach von einem unglücklichen Punktverlust und Ali Koç rückte den Schiedsrichter in den Mittelpunkt. Da dies allerdings das erste Spiel einer neuen Saison war, wollten die Anhänger eigentlich etwas anderes. Abseits des Feldes wünscht man sich eine andere Fehlerkultur und einen anderen Umgang mit offensichtlichen Rückschlägen. Soll heißen: Weniger Fokus auf Verband und Schiedsrichter, mehr sportliche Analyse inklusive der passenden Rückschlüsse. Auf dem Feld hätten die meisten Fans hingegen wohl mehr Bekanntes sehen wollen. Das gilt nicht nur für den spielerischen Ansatz, sondern vor allem für die Akteure, die diesen umsetzen sollen. Die vergangene Rückrunde hatte die Fans schließlich weitestgehend mit ihrer Mannschaft versöhnt. Es gab ein belastbares Grundgerüst, das am Ende durchaus überzeugend Vizemeister wurde. Ein paar wenige, aber dafür qualitativ hochwertige Verstärkungen und in der neuen Saison würde man einen Platz vorrücken, so zumindest die Hoffnung. Stattdessen gab es unter Jesus nun den nächsten Umbruch. Bisher elf brandneue Spieler (ohne Leihrückkehrer) nennen Kadıköy nun ihre neue sportliche Heimat und die wenigsten Beobachter verstehen diesen Ansatz. Säulen der letzten Saison sind entweder verletzt oder werden vom Trainer nicht berücksichtigt und so läuft es seit mittlerweile vier Spielen nicht rund.
Eine Verkettung von Fehlern und Fehleinschätzungen
Besonders offensichtlich ist diese Entwicklung im Mittelfeld. Mit dem Trio Yandaş, Zajc und Crespo hatte Kartal in der letzten Saison seine gleichzeitig kämpferische und doch offensivfreudige Lösung gefunden. Zwar ist der türkische Nationalspieler nicht fit, die beiden anderen Akteure versauern hingegen meistens auf der Bank. Gegen Slovácko durfte wenigstens der Slowene starten und gehörte zu den besten Spielern auf dem Feld, gegen Ümraniyespor war er hingegen wieder nur Joker. Nun weiß man nicht, ob Koç die beiden Achter meint, wenn er von Spielern spricht, für die es sehr gut dotierte Angebote gibt, aber klar ist, dass Fenerbahçe den Qualitätsverlust aktuell nicht auffangen kann.
Warum Jesus allerdings abgesehen davon ohne Not sein gerade erst etabliertes System gegen den Aufsteiger aufweichte und statt eines Sechsers und eines Achters lediglich Arão zur Absicherung aufstellte und Lincoln bei Bedarf nach hinten zog, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Eigentlich ist es nur mit einer gewissen Überheblichkeit zu erklären, mit der man dem Aufsteiger begegnete. Der allerdings fand nicht nur die riesigen Lücken in der Zentrale, sondern verstand es auch, die überforderte und völlig neu zusammengestellte Viererkette immer wieder vor Probleme zu stellen. Diese war zu keinem Zeitpunkt auf der Höhe und hat in dieser Form keine Zukunft.
Es ist die unheilvolle Mischung aus einem völlig neu zusammengestellten Team, den damit einhergehenden Abstimmungsschwierigkeiten, Spielern fernab ihrer Topform und einem Trainer, der sich nun zum zweiten Mal nach dem Rückspiel gegen Kiew massiv verzockte, die die Fans Böses ahnen lässt. Eigentlich bräuchte dieses Team nun viel Zeit um sich einzuspielen und kennenzulernen. Die Vorbereitung ist allerdings vorbei und die "Kanarienvögel" hinken hinterher.