Als die Verantwortlichen bei Fenerbahçe nach einer erneut schwachen Saison einen weiteren Umbruch ankündigten, hatte wohl kaum ein Fan ein solches Wechselspiel erwartet. Zunächst quasi ohne Geld, nun mit den Ablösesummen für Muriqi und Jaílson, wurde dem Kader wieder ein völlig neues Gesicht verpasst. Die Transfers lesen sich gut, bieten aber auch Grund für mindestens einen Vorbehalt.

Papiss Demba Cissé ist der jüngste Transfer, den türkische Medien eigentlich schon sicher bei Beşiktaş gesehen hatten und der nun stattdessen in Zukunft gelb-marineblau trägt. Wobei "jung" hier eigentlich nicht das passende Wort ist. Vielmehr befindet sich der Senegalese mit 35 Jahren eher im Spätherbst seiner Karriere. Trotzdem kann man Fenerbahçe auf dem Papier erneut nur gratulieren zu dieser Verpflichtung. 38 Tore erzielt der Mittelstürmer in seinen zwei Jahren Süper Lig für Alanyaspor und auch für die "Kanarienvögel" wird die neue Nummer 9 sehr wahrscheinlich den ein oder anderen Treffer beisteuern. Der Mann aus Dakar dürfte in erster Linie als Backup für den ebenfalls neuen Mittelstürmer Samatta gedacht sein, der sich erst noch in der Türkei akklimatisieren muss, während Cissé im Normalfall keine Anlaufzeit braucht. Dazu stehen mit den beiden weiteren Neuzugängen Valencia und theoretisch Thiam zwei weitere Bewerber für das Sturmzentrum im Kader. Genau hier beginnen auch die vermeintlichen Luxusprobleme, für die Erol Bulut eine Lösung finden muss. Auf den ersten Blick ist der Kader gerade in der Offensive prall gefüllt. Dreieinhalb nominelle Mittelstürmer (mit Thiam und nach dem Abgang von Frey) und dazu Türüç, Kadıoğlu, Gümüş, Dirar und Rodrigues für die Flügel. Die beiden Letztgenannten sollen wohl noch abgegeben werden, doch selbst dann hätte man sieben Spieler für drei Positionen. Das klingt zwar erstmal nicht schlecht, leise Zweifel sind aktuell allerdings trotzdem angebracht.

Betrachtet man nämlich Fenerbahçes bisherige Auftritte in dieser Saison muss man sich die leise Frage stellen, wer denn all die Offensivkräfte in Szene setzen soll. Das Umschaltspiel war bisher eher behäbig und ideenlos, so dass die verschiedenen Mittel- und Außenstürmer größtenteils in der Luft hingen. Aktuell zeichnet sich ab, dass Bulut sein bevorzugtes 4-2-3-1-System auf aggressives Pressing auslegt. Mit Ozan Tufan auf der Zehn und Abräumer Luiz Gustavo dahinter, ist es an José Sosa das Angriffsspiel zu initiieren. Eine klare, optimale Dreierreihe in der Offensive ergibt sich daraus nicht. Der einzige verbliebene Kreativspieler wäre Kadıoğlu, der allerdings noch merklich mit dem Pressing fremdelt. Dies wiederum verkörperte zuletzt am ehesten Valencia, der allerdings nun aufgrund der großen Konkurrenz und seiner Schnelligkeit in Zukunft wohl eher auf den Flügel ausweichen muss, wo Thiam und Gümüş bisher wenige Akzente setzen konnten. Mit Cissé und Samatta hat man dazu im Zentrum zwei potentielle Spieler, die zwar wissen, wo das Tor steht, sich im Pressing allerdings oft vornehm zurücknehmen. Für Erol Bulut wird es nun darauf ankommen, aus den durchaus hochkarätigen Spielern jene auszuwählen, die erstens in sein System und zweitens zueinander passen. Gelingt ihm dies, ist mit Fenerbahçe zu rechnen.