Im Fenerbahçe-Umfeld hält sich hartnäckig der Vorwurf, Mesut Özil würde nur spielen, weil die Klub-Führung es so wolle. Trainer Vitor Pereira hatte zumindest in den vergangenen Spielen angedeutet, nicht zwingend auf den Star des Teams setzen zu wollen. Drohen sich, neue Gräben aufzutun?
Am Mittwoch ist Mesut Özil mit dem Fenerbahçe-Tross nach Frankfurt geflogen. Sehr wahrscheinlich steht der 32-jährige Mittelfeldspieler auch am Donnerstagabend in der Startelf des Europa-League-Auftaktspiels gegen Eintracht Frankfurt. Auch, wenn offenkundig bezweifelt werden darf, ob Özil rein nach dem Leistungsprinzip überhaupt einen Platz in der Anfangself verdient hätte. Nach der eher blassen Rückrunde der Vorsaison, die den Offensivstar auch aufgrund diverser Hindernisse (Sprunggelenksverletzung, Corona-Virus, Trainingsrückstand) nie zur Entfaltung kommen ließen, bleibt Özil auch in der neuen Saison hinter den Erwartungen. Nach dem erfolgreichen Auftakt, mit seinem ersten Tor für Fenerbahçe, der prompt zum Siegtreffer gegen Adana Demirspor avancierte, kam zuletzt nicht mehr viel. Özil trägt zwar oft die Kapitänsbinde, taucht im Spiel der "Kanarienvögel" aber immer wieder ab und versprüht nichts annähernd jenen Esprit, den sich der 19-malige türkische Meister bei der Verpflichtung im Winter vorgestellt haben dürfte.
Mesut Özil wirkt auch nach neun Monaten am Bosporus noch nicht so richtig angekommen in seiner Wahlheimat und seinem selbsternannten Herzensklub. Zuletzt hatte es sogar Gerüchte über einen vorzeitigen Wechsel nach Katar gegeben, die von Berater-Seite aber schnell zerschlagen wurden. Dennoch: Der vermeintlich immer noch auf Weltklasse-Niveau zu spielen könnende Özil muss seinen Erwartungen immer noch gerecht werden. Vor allem die Klub-Führung um Präsident Ali Koç hat sich beim Transfer des ehemaligen deutschen Nationalspielers "einen Traum erfüllt". Und mit der Zeit scheint es so, als wolle sich niemand mit dem Gedanken anfreunden, dass dieser Traum doch nicht in Erfüllung gehen könnte.
Özil als Aushängeschild des Klubs muss spielen
Denn in türkischen Medien sowie auch dem kritischen Vereinsumfeld wird bereits darüber spekuliert, ob Özil nur noch spielt, weil es die Bosse so verlangen. Trainer Vitor Pereira, der in seiner zweieinhalb monatigen Amtszeit bereits andeutete, nicht auf große Namen, sondern rein auf das Leistungsprinzip zu setzen, ließ Özil in den ersten Saisonspielen zwar meist mit der Binde auflaufen, nahm ihn taktisch aber weitestgehend aus der Verantwortung. Wohl auch deshalb läuft das Spiel an der eigentlichen Schaltzentrale so oft vorbei. Bei den Klubs-Verantwortlichen genießt Özil wegen seiner Strahlkraft indes weiter maximalen Stellenwert. Eine solche Verpflichtung – die zahlreichen Sponsorengelder und Gehaltskosten, die im Özil-Deal mit eingebunden waren oder immer noch sind – auf der Bank verschmoren zu lassen, käme einer Bankrotterklärung gleich. Insofern dürfte Vitor Pereira sehr wohl einen Druck von oben verspüren, das Aushängeschild des Klubs auch zu präsentieren. Und beim Auswärtsspiel in Frankfurt, dem geteilten Heimatland Özils, wo nach wie vor die meisten Kritiker beheimatet sind, erst recht.
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