Nachdem viele Experten und Fans den Systemwechsel von einer Dreier- zur Viererkette seit Wochen vehement gefordert hatten, erbarmte sich Vítor Pereira endlich im Derby. Obwohl zunächst die Abstimmungen nicht passten und der Trainer Mitte der zweiten Hälfte wieder zur alten Grundordnung zurückkehrte, dürfte die Viererkette vorerst Bestand haben. Bereits gegen Galatasaray deutete sich allerdings auch das große Problem dieses Systems an.
Neben Pereiras ausgeprägter Vorliebe für die Dreierkette und seiner durchaus vorhandenen Sturheit gibt es nämlich mindestens einen weiteren Grund, warum der Trainer sich so lange vor einem Systemwechsel scheute: Ihm fehlen schlicht und ergreifend die Spieler oder – genauer gesagt – die Außenverteidiger.
Links konnte dieser Umstand gegen Galatasaray etwas kaschiert werden, da mit Filip Novák zumindest ein gelernter Außenverteidiger auflief. Der Tscheche spielte ordentlich, seine Galaform aus Trabzon-Zeiten hat er allerdings nach wie vor nicht erreicht. Insbesondere Unachtsamkeiten im Aufbau bringen sein Team immer wieder in gefährliche Situationen. Dennoch ist er sicher ein potentieller Stammspieler. Dahinter wird es allerdings eng. Fällt der Tscheche aus, bleibt der 19-Jährige Çağtay Kurukalıp, der noch nicht eine Sekunde auf dem Platz stand und für die Europa League nicht gemeldet ist. Geht man davon aus, dass Pereira keine persönlichen Vorbehalte gegen den Neuzugang hat, scheint Kurukalıp schlicht noch nicht weit genug zu sein. Weitere gelernte Linksverteidiger gibt es nicht. Allenfalls Attila Szalai, der nicht mehr in der Innenverteidigung gesetzt ist, hat die Position bereits gespielt und seine Aufgabe zufriedenstellend gelöst. Links käme Pereira also wohl notfalls hin.
Kaum Optionen auf rechts
Rechts hingegen sieht die Sache anders aus und das war auch gegen Galatasaray offensichtlich. Ferdi Kadıoğlu ist eine der Überraschungen der Saison und hat die neue Rolle als Schienenspieler auf links oder rechts hervorragend angenommen. Seine Stärken liegen dennoch klar in der Offensive. Im Derby lief er nun zum ersten Mal als Rechtsverteidiger auf und offenbarte die erwartbaren Schwächen. Er schaltete sich gut in die Offensive ein, hinterließ dafür aber eine Lücke im Rücken. Unter anderem das 0:1 aus Fenerbahçe-Sicht fiel so. Der 22-Jährige hat sicherlich das Potential auch in diese Rolle zu wachsen, ob er dafür aber die Zeit haben wird, steht auf einem anderen Blatt.
Einen echten Rechtsverteidiger, der ihn vertreten könnte, gibt es zwar, Nazım Sangaré spielt allerdings eine schwache Saison. Zuletzt kam er gar nicht zum Einsatz, davor wurde er gleich zweimal zur Pause ausgewechselt. Die Pfiffe der eigenen Fans, so erbärmlich sie auch sein mögen, dürften zudem nicht gerade für zusätzliches Selbstvertrauen gesorgt haben. An guten Tagen wäre Sangaré sicherlich ein potentieller Kandidat, bisher blieb er allerdings hinter den Erwartungen.
Somit wäre die letzte Option Marcel Tisserand. Der Kongolese ist allerdings erstens innen gesetzt und zweitens nicht annähernd offensiv genug, um die Rolle gut auszufüllen. Somit wird Pereira wohl am ehesten weiter auf Kadıoğlu setzen.
Mitleid ist natürlich fehl am Platze, schließlich hat der Trainer bei der Kadergestaltung ein Wörtchen mitgeredet und klar signalisiert, dass er keine weiteren Außenverteidiger braucht. Das war folgerichtig, schließlich wären die im 3-4-3 oder 3-5-2 kaum auf vernünftige Spielanteile gekommen. Jetzt, wo die Dreierkette allerdings massiv in der Kritik steht, zeigt sich, dass der Kader zumindest auf den defensiven Außen auf Kante genäht ist. Auch das dürfte einer der Gründe sein, warum der Trainer so lange vor der Viererkette zurückschreckte. Gegen Galatasaray ist die Umstellung gut gegangen, die bisherige Anfälligkeit nach Kontern könnte mit einem Innenverteidiger weniger allerdings noch schwerer ins Gewicht fallen. Hier kommt nun eine Menge Arbeit auf den Trainer zu.