Die vorzeitige Entlassung von Trainer Erol Bulut ist einmal mehr der Beweis für eine hochgradig unprofessionelle Vereinsführung. Präsident Koç, der den Klub einst zum Stolz zurückführen wollte, hat nun den fünften Coach (!) in drei Jahren Amtszeit verschlissen – angesichts der Begleitumstände eine weitere Blamage! Ein kommentierende Analyse von LIGABlatt-Redakteur Mario Herb. 

Am 3. Juni 2018 war Ali Koç mit dem Versprechen angetreten, Fenerbahçe wieder zu einem Klub zu formen, auf den man zu Recht stolz sein könne. Knapp drei Jahre und zweieinhalb sportlich wie strukturell holprigen bis katastrophalen Saisonverläufen kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass der 53-jährige Geschäftsmann sein Versprechen nicht einhalten konnte. Der 19-fache türkische Meister wandelt verlassen irgendwo zwischen Anspruch und Realität und muss sich nun das nächste Eingeständnis machen, wieder einen Trainer verschlissen zu haben.

In der dreijährigen Ära Koç ist der am gestrigen Donnerstag gerollte Kopf von Erol Bulut der insgesamt fünfte. Angefangen mit Philip Cocu, weiter über Erwin Koeman, Ersun Yanal und Tahir Karapınar galt Bulut im vergangenen Sommer als endlich passende Lösung. Im Dreigespann mit Sportdirektor Emre Belözoğlu präsentierte sich Koç in der Vorbereitung zu dieser Saison als umsichtiger Chef, der es – im Gegensatz zu vielen anderen türkischen Klub-Vorständen – anscheinend zu verstehen wusste, sich selbst nicht zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Eine klare Aufgabenverteilung an die jeweiligen Fachexperten, was zu einem harmonischen wie erfolgsversprechenden Zusammenarbeiten führte, war zu dieser Zeit das Charakteristikum der "Kanarienvögel". Spätestens mit dem Özil-Transfer im zurückliegenden Winter änderte sich diese Verhaltensweise.

Behinderung der Trainer-Arbeit durch Druck von oben

Bei seinem Ex-Klub Alanyaspor ließ Erol Bulut in der vergangenen Saison beispielsweise oft im 4-4-2 mit einer Doppelsechs und zwei verkappten, von außen in die Mitte ziehenden Flügelspielern agieren – ein System, das einen klassischen Zehner, wie ihn Mesut Özil verkörpert, nicht vorsieht. Schon gleich nach seiner öffentlichkeitswirksamen Ankunft in Kadıköy war aber ersichtlich, dass die Klub-Führung, auch unter dem Druck der an diesem Deal zahlreich beteiligten Sponsoren, auf einen Einsatz des 32-Jährigen drängten. Bulut, als Trainer eigentlich unantastbar, wenn es um die taktische Herangehensweise geht, musste sich hier wohl nicht nur einmal dem Drängen seiner Vorstände beugen.

Keine Frage: Erol Bulut ist in erster Linie für den sportlichen Erfolg zuständig und muss deshalb auch die Verantwortung für die insgesamt sechs Heimniederlagen tragen, die einen wesentlichen Teil dazu beitragen, dass Fenerbahçe derzeit seine Meisterambitionen an den Nachbarn aus Beşiktaş verloren hat. Für die wahnwitzige Einkaufspolitik mit 20 Neuzugängen in der Saison kann der 46-jährige Trainer aber schon wesentlich weniger. Und für die allseits herrschende Unruhe im Klub, dem Druck der Oberen und letztlich der offensichtlichen Behinderung seiner eigenen Arbeit überhaupt nichts. Die vorzeitige Entlassung dürfte für Erol Bulut enttäuschend sein, weil sie mit Ansage kam, aber wahrscheinlich sogar absehbar. Für Ali Koç ist sie eine weitere Blamage in drei Jahren als Klub-Präsident.