Selbst glühende Fenerbahçe-Fans dürften aktuell Probleme haben, abzuschätzen, welche Spieler in der heute beginnenden Spielzeit das Rückgrat der "Kanarienvögel" bilden sollen. Dies ist einerseits dem frühen Saisonbeginn und andererseits dem neuen Coach geschuldet.

Jorge Jesus hat nämlich eine sehr genaue Vorstellung davon, welche Spielertypen er bevorzugt und einsetzen möchte. Diese Ansichten decken sich nicht unbedingt mit dem Saisonendspurt vor einigen Monaten, der eigentlich einige Akteure klar in den Vordergrund rückte, die nun allerdings nicht wie erhofft zum Zuge kommen.

Auch die bisherige Transferpolitik reißt den Anhang noch nicht zu Begeisterungsstürmen hin. Die einen Neuzugänge (Lincoln, Willian Arão) sind wohl selbst für viele Experten schwer zu bewerten, während Bruma, Mor und King aktuell eher als Kaderspieler und nicht als Stammkräfte gesehen werden. Geht man den Kader auch hinsichtlich des heutigen Spiels gegen Kiew von Position zu Position durch, bleiben daher noch viele Fragezeichen.

In der Defensive ist das Bild allerdings aus mehreren Gründen relativ klar. Spätestens nach dem Abgang von Berke Özer führt an Kapitän Altay Bayındır kein Weg mehr vorbei. Davor herrscht ein ziemlicher Engpass, weshalb sich die Vorstellungen der Fans und des neuen Trainers wohl decken dürften: Kadıoğlu links, Osayi-Samuel rechts und in der Mitte Szalai und Aziz. Sollte es Kim erwartungsgemäß ins Ausland ziehen, blieben auch schlicht kaum andere Möglichkeiten. Gleichzeitig hätte der Coach so die drei obligatorischen einheimischen Spieler für den Ligabetrieb berücksichtigt. Weitere Neuzugänge werden dennoch dringend benötigt.

Abkehr vom bewährten Trio

Das Mittelfeld war bereits in der letzten Saison einer hohen Fluktuation unterworfen. So scheint es weiterzugehen. Das zuletzt erfolgreiche Trio Crespo-Zajc-Yandaş spielte in der Vorbereitung auch verletzungsbedingt nicht zusammen und wird wohl auch im Ligaalltag selten zum Einsatz kommen. Arão gilt als absoluter Wunschspieler des Trainers und ist von diesem als klarer Stammsechser eingeplant. Erster Herausforderer ist nach aktuellem Stand etwas überraschend İsmail Yüksek. Der Rückkehrer spielte eine starke Vorbereitung und darf auf Einsätze hoffen. Den zuletzt angeschlagenen Crespo sieht der Coach eher auf der Acht, Zajc könnte noch abgegeben werden und Yandaş fällt erneut verletzt aus.

Davor gehen die Vorstellungen des Trainers und der Fans klar auseinander. Der Anhang fordert nicht nur das Trikot mit der sagenumwobenen "10", sondern auch einen Stammplatz für Arda Güler. Jesus hat hingegen andere Vorstellungen. Neuzugang Lincoln soll der Spielmacher werden und selbst İrfan Can Kahveci durfte sich zuletzt wieder im Zentrum beweisen. Erste Wahl scheint allerdings der Brasilianer zu werden.

Auf den Flügeln gab es bereits in der Vorsaison viele Wechsel und das wurde verständlicherweise auch in der Vorbereitung fortgeführt. Bruma und Rossi dürften vorerst die Nase vorn haben, während Kahveci, Mor, Güler und aktuell noch Gümüşkaya als Herausforderer ins Rennen gehen. Pelkas wurde für das Spiel gegen Kiew nicht berücksichtigt und steht wohl vor einem Abschied.

Und ganz vorne? Hier hoffen die Fans, dass King und der hoch gehandelte João Pedro nicht als neue Mittelstürmer eingeplant sind, wobei dann die Frage bliebe, wo genau die beiden im aktuellen System untergebracht werden sollten. Serdar Dursun, der treffsicherste Neuner im Kader, hat bei Fans und Trainer etwas überraschend einen schweren Stand, sodass Enner Valencia in der Vorbereitung Minuten sammeln konnte. Nach den letzten Eindrücken dürfte der Ecuadorianer beginnen, im weiteren Saisonverlauf wäre allerdings wohl Pedro im Fall einer Verpflichtung fest in vorderster Front eingeplant.

Eine Mischung aus Türken und Portugiesischsprachigen

Eine belastbare Prognose, wie das Grundgerüst für die kommenden Monate aussehen soll, lässt sich bisher also noch nicht abgeben. Die ersten Minuten gegen Kiew werden vielleicht ein paar Hinweise liefern, aber solange die Kaderplanungen noch nicht beendet sind, bleiben vor allem viele Fragezeichen. Am Ende wird sich die Achse aber wohl aus zwei Gruppen zusammensetzen: Die drei obligatorischen türkischstämmigen Spieler (Bayındır, Aziz und Kadıoğlu) und einige portugiesischsprachige Akteure (Arão, Crespo, Lincoln, Bruma und eventuell Pedro), die das Vertrauen des Trainers genießen.