Während die Rivalen Galatasaray und Fenerbahçe ordentlich in die Transferoffensive gegangen sind, war es bei Beşiktaş verhältnismäßig ruhiger. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich bei den "Schwarzen Adlern" nichts getan hätte: Durch eine starke Rückrunde konnte man sich am Ende der vergangenen Saison noch Platz drei und somit die Qualifikation für die Conference League sichern. Nun gilt es, diese gute Form zu konservieren und über eine ganze Saison hinweg zu zeigen. 

Beşiktaş hat eine interessante Saison hinter sich: Unter Valérien Ismaël blieb man allerdings deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurück, weshalb er Ende Oktober durch die türkische Trainerlegende Şenol Güneş ersetzt wurde, der seinerseits kein Jahr zuvor als Nationaltrainer der Türkei unrühmlich seinen Hut nehmen musste. Bei den "Schwarzen Adlern" schaffte er es wieder Ordnung in die Mannschaft zu bringen, weshalb man letztlich eine starke Rückrunde spielte und beachtlich noch den dritten Platz erreichte. Bezeichnend hierfür waren ein unaufgeregter, eher konservativer Spielstil mit einer hohen Effizienz im Abschluss. Auf diesen Tugenden aufbauend gestaltet man die eigene Transferpolitik und setzt auf punktuelle Verstärkungen, ohne dabei großes Risiko zu gehen.

Tor 

Im Kasten gab es bei den "Schwarzen Adlern" keinen Grund, personell etwas zu verändern: Nachdem Routinier Mert Günok zu Beginn der vergangenen Saison noch auf der Bank Platz nehmen musste, erkämpfte er sich unter Trainer Güneş wieder seinen Stammplatz und hütet aktuell auch als Nummer eins das Tor der türkischen Nationalmannschaft. Der 34-Jährige besticht durch Souveränität und durch eine starke Ausstrahlung. Hinter Günok hat man mit Ersin Destanoğlu ein noch immer erst 22-jähriges und vielversprechendes Talent, das sich weiterhin Hoffnungen macht, in der kommenden Saison auf einige Einsätze zu kommen, um für die Zukunft eine echte Alternative zu sein.

Abwehr 

In der Innenverteidigung gelang den Schwarz-Weißen mit der Verpflichtung des ablösefreien ghanaischen Nationalspielers Daniel Amartey ein echter Coup. Der 28-Jährige besticht durch defensive Flexibilität und ein gutes Spielverständnis. Zudem bringt er durch seine starke Physis eine gewisse Wucht und Kopfballstärke mit, dank der er auch für das eine oder andere Tor gut ist. In der Innenverteidigung ist man unter anderem mit Necip Uysal, Javi Montero und Omar Colley generell breit aufgestellt, sodass Trainer Güneş sich auch überlegen könnte, ab und an auch mit Dreier-, bzw. Fünferkette spielen zu lassen. Für die Linksverteidigung war es wichtig, Arthur Masuaku fest von West Ham verpflichten zu können, um die Stabilität beizubehalten. Allerdings wird es hinter Masuaku personell schnell dünn, weshalb man noch über die Verpflichtung eines weiteren Linksverteidigers nachdenken sollte.

Mittelfeld 

Das Mittelfeld ist das geheime Herzstück bei Beşiktaş: Durch clevere Verpflichtungen hat man gerade im Zentrum eine sehr schlagfertige Truppe. Während andere große Vereine aktuell auf der Suche nach starken Sechsern sind, hat BJK hier mit Amir Hadžiahmetović und Jean Onana sowohl einen spielstarken als auch einen sehr physischen Sechser, die den "Schwarzen Adlern" taktische Flexibilität verleihen. Auf der Acht hat man mit Alexander Oxlade-Chamberlain ablösefrei einen international erfahrenen Edeltechniker holen können, der, ähnlich wie Teamkollegen Salih Uçan oder Gedson Fernandes, durch gezielte Pässe engstehende Abwehrketten aushebeln kann. Im direkten Vergleich mit der Konkurrenz, mag Beşiktaş auf der Sechs und der Acht vor allem in der Breite am besten aufgestellt sein.

Sturm

Beşiktaş hat bereits in den ersten Pflichtspielen angedeutet, dass es wieder über einen klassischen Mittelstürmer gehen wird. Dafür hatte man bereits im vergangenen Winter Vincent Aboubakar geholt, der gleich seine Torgefahr unter Beweis stellen und bereits in den ersten Spielen der neuen Saison nahtlos an seine guten Leistungen anknüpfen konnte. Hinter und um Aboubakar ist der Plan, mit Halbraumstürmern zu agieren. Nach dem Abgang von Nathan Redmond konnte man ein echtes Schnäppchen machen und für verhältnismäßig wenig Geld den Ex-Frankfurter Ante Rebić aus Milan an den Bosporus locken, dem genau diese Position in den Halbräumen am besten liegt. Mit Rachid Ghezzal und Cenk Tosun hat man zudem noch weitere gute Spieler für diese Position, allerdings gelten gerade diese beiden als sehr verletzungsanfällig. Auch mangelt es hinter Aboubakar etwas an Alternativen, weshalb es sinnvoll wäre, noch einen flexiblen Angreifer zu verpflichten – eventuell auch nur als Leihe.

Fazit 

Beşiktaş hat einen auf dem ersten Blick sehr ausgewogenen Kader, der zu nominell zum Spielen mehrerer Systeme in der Lage ist. Allerdings gibt es gerade auf der Position des Linksverteidigers als auch im Sturm noch ein wenig Nachholbedarf, um auf etwaige Verletzungen vorbereitet zu sein. Insgesamt ist es aber für die "Schwarzen Adler" von Vorteil, dass man die Truppe aus dem vergangenen Jahr weitestgehend zusammenhalten und die einzelnen Abgänge sinnvoll ersetzen konnte, sodass es der Mannschaft nicht allzu schwer fallen dürfte, das System von Coach Şenol Güneş umzusetzen. Auch wenn man individuell nicht ganz so glanzvoll aufgestellt sein mag wie die großen beiden Stadtrivalen, so wirkt der Kader sehr stimmig zusammengesetzt und die allgemeine Stabilität steht im Fokus. Auffallendes Risiko ist man hier nicht gegangen. Sollte man also stabil bleiben mit konstanten Leistungen regelmäßig punkten, so könnte dies der Schlüssel zur 17. Meisterschaft der "Schwarzen Adler" sein.