Nun ist es amtlich! Stefan Kuntz ist neuer Nationaltrainer der Türkei und ließ bereits in seiner Vorstellung keinen Zweifel daran, wie sehr er für diese Aufgabe brennt. Noch steht das neue Trainerteam nicht fest, einige Fragen stellen sich allerdings schon jetzt.

Die Nah-Ziele sind eigentlich klar: Kuntz soll die Türkei schnell wieder in die Spur führen, das Ruder in der WM-Qualifikation wieder herumreißen und idealerweise schönen Fußball spielen lassen. Insbesondere letzteres wird dann allerdings auch auf lange Sicht eine große Rolle spielen. Die Türkische Nationalmannschaft soll einen eigenen Stil bekommen, der natürlich Erfolge verspricht und den vorhandenen Spielern entgegenkommt. Kuntz gilt als großer Fan junger Spieler, weshalb die Wahl unter anderem auch auf ihn gefallen sein dürfte. Die Türkei hatte bereits bei der EM den jüngsten Kader und beim Blick auf die Nachwuchsmannschaften und überraschenderweise auch auf die Teams der Süper Lig zeigt sich, dass das Potential durchaus groß ist. Gut möglich, dass für Akteure wie Ersin Destanoğlu, Cemali Sertel, Bünyamin Balcı, Umut Güneş, Burak İnce, Muhammed Gümüşkaya, Ömer Beyaz oder Ali Akman der Weg ins A-Team nun noch etwas kürzer ist. Andere Akteure, die eigentlich auch noch in der U21 spielen könnten, stehen ja bereits regelmäßig im Kader der A-Mannschaft – mit unterschiedlichem Erfolg.

Was passiert mit den Führungsspielern?

Stellt sich die Frage, wer hier weichen müsste, schließlich bringt ein aufgeblähter Kader auch niemandem einen Vorteil. Der erste Name, der einem einfällt, ist Burak Yılmaz, nicht nur aufgrund seiner zuletzt schwachen Leistungen, sondern auch aufgrund seines Alters. So sehr einige Fans den polarisierenden Kapitän aber auch zum Teufel wünschen, klar ist, dass er eine riesige Lücke hinterlassen würde. Zum einen müsste sein Amt neu vergeben werden und hier drängt sich aktuell kein Spieler auf. Zum anderen ist die Türkei auch nicht eben mit Goalgettern gesegnet und Hoffnungsträger wie Dervişoğlu oder eben Akman müssten zunächst in diese Rolle hineinwachsen. Zur Erinnerung: Yılmaz steht bei einem bisher strauchelnden OSC Lille schon wieder bei drei Toren in sechs Spielen. Viele andere Führungsspieler gibt es auf den ersten Blick auch nicht. Hakan Çalhanoğlu, Kaan Ayhan und Ozan Tufan befinden sich im Nationaldress in einer ähnlichen Leistungsdelle und selbst der sonst so zuverlässige Çağlar Söyüncü erwischte gegen die Niederlande einen rabenschwarzen Tag. Es ist trotzdem nicht davon auszugehen, dass Kuntz einen radikalen Schnitt vollzieht. Das Team braucht neben Talent auch Erfahrung. Erstrebenswert wäre aber eben eine gute Mischung.

Systemfrage scheint geklärt

Relativ klar scheint allerdings das System zu sein. Experimente mit der Dreierkette, wie bei Vítor Pereiras Fenerbahçe, sind eigentlich nicht zu erwarten. Kuntz bevorzugt in der Regel ein 4-2-3-1 oder 4-3-3 und hat in der Türkei auch die richtigen Spieler dafür. Die Aufgabe wird es vielmehr sein, schnell ein Grundgerüst zu finden und dann zu analysieren, wo es im Moment hakt. Kaum ein Experte zweifelt daran, dass im türkischen Fußball aktuell ein riesiges Potential schlummert. Jetzt bleibt zu hoffen, dass Stefan Kuntz dieses freilegen kann.

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