Türkische Legenden im Portrait: Nihat Kahveci!

Es mutet wie eine Geschichte aus einem Land vor unserer Zeit an, wenn man Real Sociedad San Sebastián in einer Abschlusstabelle als spanischen Vizemeister ausmacht. Was heute völlig utopisch erscheint, war Anfang der 2000er großartige Realität im Baskenland. Einer der damaligen Leistungsträger: Nihat Kahveci!

Der aus der Jugend von Beşiktaş stammende Kahveci, der im weiteren Verlauf seiner Karriere meist  nur Nihat genannt wurde, kam im Sommer 1998 von der zweiten Mannschaft in den Profikader von Beşiktaş und entwickelte sich schnell zum Leistungsträger. Dies sollte auch dem damaligen Nationaltrainer Şenol Güneş nicht verborgen bleiben, der ihn im damals zarten Alter von 20 Jahren erstmals für die Nationalelf berief.

Schon früh ein Ausnahmestürmer

Im Winter 2002 wechselte Nihat dann nach Spanien – und sollte ein Teil der fast schon legendären Mannschaft von Real Sociedad werden. Zunächst benötigte er allerdings ein halbes Jahr Anlaufzeit. Bis zum Sommer gelang ihm lediglich ein Treffer, zum zwischenzeitlichen 1:0 beim späteren 2:2 gegen Rayo Vallecano. Die Initialzündung für Nihats endgültigen Durchbruch sollte dann im darauffolgenden Sommer bei der WM in Japan und Südkorea folgen.

Wenngleich Nihat nur eine untergeordnete Rolle beim sensationell starken dritten Platz des türkischen Teams spielen sollte, kehrte er voller Selbstvertrauen nach dem Turnier zurück nach Spanien – und ließ es anschließend richtig krachen! Die schon zitierte Überraschungs-Vizemeisterschaft von San Sebastián wurde unter anderem durch einen überragenden Nihat möglich. In 35 Begegnungen erzielte er starke 23 Treffer, was ihm einen mit Ronaldo geteilten zweiten Platz in der Torschützenliste einbrachte. Auch in den folgenden Saisons traf Nihat jeweils zweistellig, obwohl Real Sociedad nur noch im unteren Mittelfeld landete.

Unfassbares Verletzungspech

Wie bei so manch großer Karriere, fragt man sich manchmal, was möglich gewesen wäre, wenn derjenige Spieler von größeren Verletzungen verschont geblieben wäre. Und so darf man getrost auch auf Nihats Karriere zurückblicken. Nach seinem ersten Kreuzbandriss im Februar 2005 kam Nihat nochmals im Trikot von Real Sociedad zurück und empfiehl sich durch 7 Treffer in der Saison 2005/06 für höhere Aufgaben. Der FC Villareal klopfte an und nahm Nihat ablösefrei unter Vertrag. Nach keinem halben Jahr der nächste Rückschlag: Erneut riss Nihats Kreuzband und er fiel erneut monatelang aus.

Dass Nihat gestärkt aus dieser Zeit zurückkam, liegt wohl auch in seinem mitunter schwarzen Humor begründet. Beim ersten Kreuzbandriss wurde ihm dem Vernehmen nach die Sehne eines Toten eingesetzt – und Nihat wurde nicht müde, hierüber den ein- oder anderen Spaß zu machen. Dem „Stern“ sagte er einst: "Wenn ich schlecht schieße, dann sage ich einfach, die haben mir die falschen Bänder eingesetzt"

Das Karrierehighlight

Den Lohn für seine positive Einstellung die Nicht-Bereitschaft zur Aufgabe sollte Nihat dann bei der EM 2008 einfahren. Die schon totgeglaubte türkische Mannschaft brauchte nach einer Niederlage gegen Portugal und einem Sieg gegen die Schweiz im abschließenden Gruppenspiel gegen Tschechien zwingend einen Sieg, um sich für die K.o.-Runde zu qualifizieren. Bis zur 87. Minute sah es hiernach wahrlich nicht aus, und die Tschechen führten mit 2:1. Dann schlug die Stunde Nihats, der erst den Ausgleich erzielte und dann kurz vor Ende den Siegtreffer folgen ließ. Müßig zu erwähnen, dass er vor Freude fast von seinen Teamkollegen erdrückt wurde. Dass Nihat im späteren Halbfinale gegen die DFB-Elf fehlte, ist bis heute zu bedauern. Wer weiß, wie das Spiel mit dem Starstürmer gelaufen wäre.

Der Unvollendete holt seinen Titel

Nach diversen kleineren Verletzungen, die Nihat immer wieder aus der Bahn warfen, kehrte dieser im Sommer 2009 zu Beşiktaş zurück. Und wenngleich er keine große Rolle mehr spielen sollte, wurde er im Herbst seiner Karriere dann doch noch mit einem Titel belohnt: Ohne Nihat gewann Beşiktaş den türkischen Pokal – da dieser aber noch Bestandteil des Kaders war und auch im damaligen Pokalwettbewerbsverlauf eingesetzt wurde, wurde auch ihm dieser Titel zugeschrieben. Wir finden, dass dies ein gerechter Lohn für eine großartige Karriere war!