Das heutige Spitzenspiel in Dortmunds Gruppe F zwischen dem FC Barcelona und Inter Mailand findet gewissermaßen unter verkehrten Vorzeichen statt. Das liegt aber auch an einer ganz unterschiedlichen Erwartungshaltung.

Die "Interisti" wurden in den letzten Jahren wirklich nicht von ihrer Mannschaft verwöhnt. Den letzten Titel – den Italienischen Pokal – holte man im Jahre 2011, seitdem pendelte man unter verschiedenen Trainern und mit unterschiedlichen Spielern zwischen Platz 4 und 9. Weder in der Meisterschaft, noch international konnte man so ein bedeutende Rolle spielen. In dieser Saison ist aber alles anders: unter Antonio Conte grüßt Inter von ganz oben. In der heimischen Liga wurde bisher jedes Spiel gewonnen und beim kommenden Spitzenspiel gegen Serienmeister und Erzfeind Juventus Turin ist man nicht unbedingt der Außenseiter. Conte hat seiner Mannschaft ein klares taktisches Konzept mit an die Hand gegeben und einige beinahe abgeschriebene bzw. zumindest unterschätzte Spieler, wie Antonio Candreva, Andrea Ranocchia oder Danilo D’Ambrosio zu unerwarteten Höchstleistungen getrieben. Auch unter den Neuzugängen befinden sich mit Romelu Lukaku und Alexis Sánchez gleich zwei Spieler, die bei Manchester United nicht mehr wirklich zum Zug kamen und in Italien bislang vielversprechend performten. Dazu kommen mit Altmeister Diego Godín und den beiden jungen einheimischen Mittelfeldspielern Nicolò Barella und Stefano Sensi gleich einige neue Gesichter, die bislang voll eingeschlagen sind. Einziger Wermutstropfen: in der Champions League kam man im Auftaktspiel gegen den vermeintlichen Außenseiter Slavia Prag nur zu einem Unentschieden. Trotzdem bleibt festzuhalten: in der derzeitigen Verfassung spielt Inter um den Gruppensieg mit.

Verletzungspech und Roulette im Mittelfeld

Dieses Ziel ist für den heutigen Gegner traditionell obligatorisch. Eine Saison ohne Champions League Titel wird in Barcelona als bestenfalls "okay" bewertet und so schmerzt die aktuelle Verfassung umso mehr. Gegen den BVB kam man mit viel Glück zu einem 0:0 und in der Liga "dümpelt" man nach sieben Spielen nur auf Platz 4 herum; hinter Atlético Madrid, Außenseiter Granada und dem großen Rivalen Real, der seinerseits eigentlich keine überzeugende Saison spielt. Eigentlich sind die Gründe vielfältig, werden aber gerne auf einen Faktor beschränkt: Lionel Messi. Der Argentinier schlägt sich mit hartnäckigen Adduktorenbeschwerden herum und man hat das Gefühl, dass diese Verletzung letztendlich den gesamten Verein beeinträchtigt. Barcas Spiel ist auf Messi zugeschnitten und fehlt der Kapitän – oder bleibt er verletzungsbedingt unter Normalform – geht fast nichts mehr. Zwei Niederlagen gegen Bilbao und Granada, dazu ein Unentschieden in Osasuna nagen am Selbstbewusstsein der stolzen Katalanen. Da hilft es auch nicht gerade, dass Ernesto Valverde trotz oder wegen des Überangebots bisher keine A-Lösung für sein Mittelfeld gefunden hat. Altmeister Busquets und Neuzugang de Jong wetteifern eigentlich um die selbe Position und pendeln zwischen Bank und erster Elf. Dort befinden sich in der Regel Sergi Roberto und Arthur, weshalb Ivan Rakitić, Arturo Vidal und Eigengewächs Carles Aleñá zumeist außen vor sind. Wie gut diese Spieler damit umgehen, kann man sich denken. Dazu kommen eine teils pomadige Abwehr, die durch Jordi Albas Verletzung noch geschwächt wurde und eben eine Offensive, in der Neuzugang Griezmann noch keinen wirklich Platz gefunden hat und der Rest von Jungspund Ansu Fati über Ousmane Dembélé bis zu Luis Suárez immer wieder von kleinen und größeren Verletzungen gebremst wird. Natürlich sollte man Barca nicht unterschätzen und in Normalform geht der Weg zum Titel nur über die "Blaugrana". So offen wie heute war das Duell zwischen Barcelona und Inter aber schon lange nicht mehr. Den neutralen Fan freut‘s.

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