Fußball, du fehlst uns. Während wir auf aktuellen Sport derzeit alle verzichten müssen, bleibt uns nur der Blick in die Vergangenheit. Titel, Triumphe, Emotionen – das LIGABlatt startete kürzlich die neue Evergreen-Serie. Jede Woche stellen wir euch ein Spiel vor, an das wir uns vermutlich alle noch bestens erinnern können. Nach einem Klassiker der Champions League und dem wohl unglaublichste Halbfinale, das eine WM jemals gesehen hat, ging es letzte Woche um den perfekten europäischen Halbfinal-Auftritt des deutschen Rekordmeisters 2013. Und heute? Da schauen wir uns die wohl späteste Meisterschaft aller Zeiten an.

Es ist der 19. Mai 2001, der letzte Bundesliga-Spieltag wird in dieser Saison über die Meisterschaft entscheiden. Im Rennen: Der FC Bayern und Schalke 04. Die Konstellation ist klar: Die Münchner liegen drei Punkte vor dem Rivalen aus Gelsenkirchen, haben aber die deutlich schlechtere Tordifferenz. Ein Punkt also reicht und der Titel wandert an die Isar. Die Gegner? Königsblau empfängt die SpVgg Unterhaching, ein sicheres Ding also, dachte man. Die Bayern müssen beim HSV antreten. Den ersten Schock erlebten die Schalker. Noch nicht einmal eine halbe Stunde war gespielt, da führte der Underdog plötzlich mit 2:0 – das Ende der Meisterträume? Zur Pause stand es 2:2, in Hamburg stand ein 0:0 auf der Uhr. Bei diesen Ergebnissen, ist allen klar, reicht es für die Bayern. In Gelsenkirchen wollte das Drama nicht weniger werden, denn Unterhaching ging plötzlich mit 3:2 in Führung. Doch die "Knappen" drehen auf, wenig später steht ein beruhigendes 5:3 zu Buche. De eigenen Hausaufgaben also wurden erledigt, was machen die Münchner im hohen Norden?

One Hit Wonder Andersson

Gelinde gesagt: Nichts. Sie wissen: Uns reicht ein Punkt, da wollen wir nichts riskieren. Doch auf einmal war es passiert. 90. Minute, Sergej Barbarez, der HSV führt. Der HSV führt? Ja, das ist gleichbedeutend mit der Schalker Meisterschaft. In Gelsenkirchen brechen alle Dämme. Reporter geben eifrig durch, dass die Partie in Hamburg beendet sei und der Titel im Jahr 2001 an den FC Schalke 04 geht. Spieler, Manager, Fans, die Arena gleicht einem Tollhaus. Und was machen die Bayern? Entgegen der Annahme eines Reporters spielen sie noch. Auf Schalke erleben alle gemeinsam mit, wie den Münchnern ein letzter Freistoß zugesprochen wird, weil dem HSV ein kontrollierter Rückpass unterlief. Auf Schalke werden sie noch auf dem Sterbebett sagen: DAS war kein Rückpass. Gesagt, getan, eine letzte Möglichkeit hatten die Bayern noch. Patrik Andersson, Innenverteidiger, verbrachte zwei Jahre an der Isar, dabei gelang ihm ein einziges Tor. 19. Mai 2001 in Hamburg, schätzungsweise 17.30 Uhr, es läuft die allerletzte Spielminute. Der Schwede läuft an und hämmert den Ball in die Maschen. Tor! Ausgleich! Abpfiff! MEISTER!

Es war tatsächlich geschafft. In allerletzter Sekunde schnappten sich die Bayern diese deutsche Meisterschaft. Klar, dass der Jubel keine Grenzen kannte. Und in Gelsenkirchen? Dort, wo man schon den sicheren Titel gefeiert hatte? Das Stadion versank in einem Meer aus Tränen und Enttäuschung, während einige hundert Kilometer weiter die Schale übergeben wurde. Ein spannendes Liga-Finale gab es schon das eine oder andere Mal. 2001 aber, das war nicht nur Spannung. Das war Drama pur, Ekstase und die volle Bandbreite aller Gefühle. Eine Erklärung, wieso wir den Fußball alle so sehr lieben. Außer vielleicht die Fans von Schalke 04.

Foto: Andreas Renz/Getty Images