Aus Prestige- und Imagegründen kann man Fenerbahçe nur zur Verpflichtung Mesut Özils gratulieren. Geht es um seinen sportlichen Wert für die "Kanarienvögel" sind allerdings auch kritische Stimmen zu hören. Zurecht?

Immerhin seit März hat der 32-Jährige kein Pflichtspiel mehr bestritten und somit ist klar, dass er zunächst Defizite aufholen muss. Arsenal hatte Özil nicht einmal mehr für den Ligabetrieb gemeldet und so konnte der Zehner lediglich im Training Gas geben. Man lehnt sich allerdings nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man vermutet, dass die Ausbootung des ehemaligen Topverdieners nicht alleine sportliche Gründe hatte. Vielmehr war es wohl eine Mischung verschiedener Aspekte, die zum Zerwürfnis führten. Neben einer unbestreitbaren Leistungsdelle waren es sicherlich auch Özils Äußerungen zur Lage der Uiguren in China, von denen sich der Club recht dilettantisch distanzierte sowie eine insgesamt unbefriedigende sportliche Situation, in denen der Spitzenverdiener sich als Sündenbock anbot. Arsenal steht aktuell auf Platz 11 und läuft den sportlichen Ambitionen meilenweit hinterher – ganz ohne den vermeintlichen Bremsklotz. Man sollte nach der langen Spielpause nicht sofort Wunderdinge vom Stareinkauf erwarten. Ihn allerdings sportlich abzuschreiben, wäre trotzdem grob fahrlässig.

Passt Özil in die Süper Lig?

Schließlich gehört Özil zu den besten Zehnern seiner Generation. Seine Spielweise war noch nie auf hohes Tempo oder tiefe Läufe ausgelegt. Stattdessen verstand er es immer, seine Mitspieler mit klugen Pässen in Szene zu setzen. Özil entspricht dem (langsam aussterbenden?) Typus des offensiven Spielmachers. Eine echte Nummer 10 eben. Grundsätzlich spricht daher auch nichts dagegen, dass er einem Team selbst mit 32 Jahren noch eine ganze Menge zu geben hat. Ob die Süper Lig dafür der richtige Ort ist, wird sich natürlich zeigen müssen. Zwar ist das Spiel in der Türkei sehr physisch geprägt und gegnerische Trainer werden sich auf den neuen Superstar einstellen, Özil verfügt allerdings über die Erfahrung und die Technik, um trotzdem eine gute Rolle zu spielen.

Wie verändert sich das System?

Auf den ersten Blick ist das System Erol Buluts wie gemacht für Özil. Im 4-2-3-1 gibt es die Rolle des klassischen Zehners eigentlich noch. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Seit Beginn der Saison tüftelt der Trainer an einem Spielplan, der ihm und seinem Team mehr Kontrolle bietet. Zunächst mit Tufan hinter der Spitze, dann mit Mert Hakan Yandaş und zuletzt mit drei oder sogar vier variablen Offensivspielern suchte er nach einer Möglichkeit, den Gegner hoch zu pressen. Das ist nicht Özils Spiel. Geht es allerdings um Spielkontrolle bei eigenem Ballbesitz, könnte der gebürtige Gelsenkirchener das fehlende Puzzlestück werden. Das eigene Angriffsspiel war in der bisherigen Saison oft sehr ideenlos. Ein Spielgestalter wie Özil könnte die Lücke schließen, die Max Kruse und Emre Belözoğlu (eine Reihe weiter hinten) hinterlassen haben.

Was wird aus den Konkurrenten?

Das sind schlechte Nachrichten für die Spieler, die die Gelb-Marineblauen eigentlich für diese Aufgabe vorgesehen hatten: José Ernesto Sosa kommt bei Fenerbahçe noch nicht wie erhofft zur Geltung. Das neue Dreiermittelfeld dürfte sich in Zukunft eher aus Özil, Tufan und Gustavo zusammensetzen. Auch Yandaş, der sich gerade erst in die Startelf gespielt hatte, wird sich wieder häufiger auf der Bank wiederfinden. Die Fans fordern Özil und sofern das neue Zugpferd fit ist, wird es auch auf dem Feld stehen. Bei Youngster Ömer Beyaz stehen die Zeichen bereits jetzt auf Abschied – seine schlechte Ausgangsposition verschlechtert sich durch Özil nochmals.

Fazit

Die Unkenrufe, Özil sei ein typischer Süper-Lig-Transfer, kommen definitiv zu früh. Der Weltmeister ist nicht irgendein alter Spieler, der auf den letzten Metern noch ein bisschen Geld machen möchte, sondern ein glühender Fan, der zu seinem Herzensverein wechselt. Alleine für den Werbeeffekt musste Fenerbahçe diesen Transfer machen. Doch aus sportlicher Sicht kommt Özil viel zu schlecht weg. Wird er schnell fit, kann er seinem Club noch eine Menge geben und die Süper Lig bereichern. Özil hat etwas zu beweisen und wird darauf brennen, seine zahlreichen Kritiker Lügen zu strafen. Bei all seinen Titeln und persönlichen Auszeichnungen dürfte der ersehnte Meistertitel mit Fenerbahçe daher trotzdem einen hohen Stellenwert haben.