Die Tagträumer aus der Klasse der türkischen Elite, die vor Monaten tatsächlich ernsthaft glaubten, mit Ali Koç würde sich Fenerbahçe blitzschnell aufrichten, lassen heute noch viele Fenerbahçe-Fans die Köpfe schütteln. Ein Kommentar von LIGABlatt-Chefredakteur Fatih Şenel.

In der Türkei gehören der Sport und die Politik definitiv zusammen. In Deutschland gibt es ja Bundestrainer wie Sand am Meer. In der Türkei hingegen, kann ein Durchschnittsbürger leicht und locker zwei Ressorts bedienen: Viele Fans fachsimpeln als Fußball- und Politikexperten zugleich.

Als im Sommer 2018 der famose Unternehmer Ali Koç zum neuen Fenerbahçe-Boss gewählt wurde, erhofften sich sogar politische Oppositionelle – also sämtliche Erdoğan-Gegner – eine Zweiwende. Das Wahlergebnis hatte für so manchen Tagträumer nur eine zum Glück innerlich gefühlte logische Erklärung. "Weil wir politisch in der Opposition positioniert sind, ist dieses Ergebnis ein Zeichen", freuten sich die Klubmitglieder, als hätte die Türkei einen neuen Staatschef nach ihrer Vorstellung gewählt. Heute ist selbst für den größten Träumer klar – alles nur eine alberne Illusion. Wie weit von der Realität die Versuchung, den Wahlsieg von Koç auf das Politische zu übertragen, ist, will ich nicht weiter ausführen müssen.

Denn der blauäugige Messias der "Kanarien" muss schleunigst zusehen, wie er seine "Kindheitsliebe" nicht zum deklassierten Laternenträger macht. Die "Republik Fenerbahçe" gibt es definitiv nicht mehr. Der demokratische Umsturz des mächtigen Aziz Yıldırım löste viel zu früh eine Welle der Euphorie aus, die heute tragischerweise wie ein Tsunami über Kadıköy fegt. Somit trödelt Fenerbahçe über die Winterferien dort, wo die politische Opposition seit Jahrzehnten eine Dauerkarte besitzt – im Unterhaus. Ob die Rückrunde besser wird? Auch ein Ersun Yanal ist kein Zaubertrank.