Noch vor wenigen Monaten war İrfan Can Kahveci wohl die heißeste Aktie der Süper Lig. Der 25-Jährige hatte einen großen Anteil an der ersten Meisterschaft Başakşehirs und schien der nächste Türke zu werden, der in einer europäischen Topliga sein Glück sucht. Heute sieht die Sache anders aus.

Trotz angeblicher Angebote aus Deutschland, England, Frankreich und Spanien blieb der 17-fache Nationalspieler in Istanbul. Sicherlich war es auch die Aussicht auf Einsätze in der Champions League, die zu einem Verbleib beitrugen. Auf europäischer Ebene gab es für Başakşehir wenig zu holen, zumindest Kahveci persönlich dürfte allerdings das 3:4 gegen Leipzig noch gut in Erinnerung behalten haben, zu dem er alle Tore für sein Team beisteuerte und sich so erneut auf die Zettel einiger Scouts brachte. Doch auch im Ligaalltag lief es kaum besser für den amtierenden Meister und man stolperte von einer Niederlage zur nächsten. Kahveci stand dabei meistens in der Startelf, wenn er nicht gerade eine Sperre absaß, konnte allerdings zu keiner Zeit an seine guten Auftritte der Vergangenheit anknüpfen. So konnte es nicht weitergehen, doch statt der europäischen Elite lieferten sich im Winter nun zwei Istanbuler Clubs ein Wetteifern um den Mann aus Çorum und kurz nachdem Verantwortliche von Galatasaray etwas voreilig von einer bevorstehenden Einigung sprachen, meldete Fenerbahçe Vollzug. Ein echter Coup, bei dem die "Kanarienvögel" nicht nur einen der besten Spieler der Süper Lig verpflichten, sondern dabei auch noch den Erzfeind düpieren konnten. Die Freude war dementsprechend groß, doch auch eine gewisse Irritation blieb nicht aus.

Wohin mit dem Achter?

Dabei war es weniger ein Problem, dass sich Kahveci verletzt hatte und so einige Spiele verpassen würde. Viel mehr stellten sich Fans und Experten die Frage, wo genau der Nationalspieler denn eigentlich eingesetzt werden sollte. Denn klar war, sofern alle Spieler fit sein würden, wären zwei Dinge in Stein gemeißelt: Fenerbahçe spielt im 4-2-3-1 und auf der Zehn ist Weltmeister Mesut Özil gesetzt. Eine Aufstellung mit Özil und Kahveci stünde zwar für Offensivpower, dem potentiellen Sechser dahinter dürfte die Vorstellung allerdings die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Außerdem waren zu diesem Zeitpunkt Luiz Gustavo und Ozan Tufan im Mittelfeld gesetzt und überzeugten als eingespieltes Duo.

Die Frage, wie die beiden Neuzugänge also in einer Elf auflaufen könnten, wurde dann allerdings vorerst obsolet. Kahvecis erstes Spiel für den neuen Verein war Özils vorerst letztes. Der neue Mann von Başakşehir kam gegen Antalyaspor in die Partie, als der Weltmeister verletzt runter musste. Seitdem pendelt Kahveci zwischen Startelf und Bank und zeigt wenig bis gar nichts von seinen unbestrittenen Talenten. Im gestrigen Spiel gegen Malatyaspor fiel er erneut durch Unachtsamkeiten und Ballverluste auf, verlor vor dem Ausgleichstreffer Ball und Gegenspieler aus den Augen und wurde folgerichtig bereits zur Halbzeit ausgewechselt. Dass der 25-Jährige alle Anlagen hat, um in der Süper Lig oder vielleicht auch darüber hinaus eine bedeutsameRolle zu spielen, dürfte weiterhin niemand bestreiten. Nach dem überragenden letzten Jahr gilt es aber nun, dieses Versprechen auch einzulösen. Kahveci fremdelt nach wie vor mit seinem neuen Team und hat trotz Özils Ausfall seinen Platz noch nicht gefunden. An Gustavo, Tufan und Pelkas ist kein Vorbeikommen und von hinten drücken Sosa und Yandaş. Ohne Stammplatz in Kadıköy gerät nun sogar die EM-Teilnahme in Gefahr, da auch Şenol Güneş bisher keine feste Rolle für den Achter gefunden hat, der die jüngsten Länderspiele dazu durch Corona verpasste. Jetzt ist Kahveci am Scheideweg. Er ist dem Status als Talent entwachsen und muss nun seinen Trainern beweisen, dass an ihm kein Weg vorbei führt. Bis heute hat sich der Wechsel innerhalb Istanbuls noch für keine Partei ausgezahlt.

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