Im vergangenen Winter als Hoffnungsträger zu Fenerbahçe gewechselt, spitzt sich die Situation für Weltmeister Mesut Özil weiter zu. Die Differenzen mit dem neuen Trainer Vítor Pereira scheinen größer denn je zu sein. Ein Eklat am Wochenende wirft nun die berechtigte Frage auf, ob das Kapitel Özil unter Pereira nun endgültig zu scheitern droht.

Der Hype um den einstigen Superstar Mesut Özil war nach seinem Transfer zu den "Kanarienvögeln" groß. Für viele galt er als der Hoffnungsträger, der nach langer Durststrecke die lang ersehnte Meisterschaft nach Kadıköy bringen soll. Die hohen Erwartungen konnte er anfangs unter dem Ex-Trainer Emre Belözoğlu keinesfalls erfüllen. Neben der mangelnden Spielpraxis spielten auch der schlechte Fitnesszustand, die Sprunggelenksverletzung sowie die Corona-Infektion eine erhebliche Rolle beim missglückten Start. Den großen Durchbruch erwartet man indes in der aktuellen Saison, wäre da nicht der neue portugiesische Trainer Vitor Pereira, der in seinem neuen Spielsystem für den Weltmeister keinen Platz zu haben scheint. Das schlägt sich auch direkt in Özils Einsatzzeiten nieder: In den bisher absolvierten neun Pflichtspielen spielte der Weltmeister erst einmal durch. In seinen Einsätzen bringt es der 32-Jährige auf drei Tore und einen Assist, was sich ordentlich liest. Dass sowohl Özil selbst aber auch die Fener-Anhänger sowie Funktionäre mit der aktuellen Situation ihres Schützlings alles andere als zufrieden sind, erklärt sich von selbst. Wenig überraschend kam es am vergangenen Spieltag gegen Kasımpaşa dann zu einem Eklat, dass in türkischen Medien die Runde machte. Pereira setzte einmal mehr nicht auf Özil in der Startelf und beorderte ihn in der zweiten Halbzeit zum obligatorischen Aufwärmen. Eine Einwechslung blieb allerdings, trotz 40-minütigen Aufwärmens, aus. Der Ex-Profi von Real Madrid ließ daraufhin seinen Frust freien Lauf. In mehreren türkischen Medien wurde darüber berichtet, dass Özil sein Aufwärmleibchen vor die Füße von Vítor Pereira geworfen haben soll – eine Aktion, die das ohnehin angespannte Verhältnis auf ein neues Level hebt.

Spielt Özil unter Pereira noch eine Rolle?

Mit der Aktion dürfte sich Özil selbst keinen Gefallen getan haben. So paradox es auf dem ersten Blick auch klingen mag: Bei den "Kanarienvögeln" scheint es auch ohne ihn zu laufen, denn man grüßt nach dem achten Spieltag der Süper Lig weiter von der Spitze. Neben der Tatsache, dass Spieler und Trainer sich nicht zu verstehen scheinen, birgt die Causa Özil ein weitaus größeres Eskalationspotential. Gemeint ist in diesem Zusammenhang die Führungsebene um Präsident Ali Koç, die den Transfer Özils nach außen hin als wahrlichen Königstransfer, gefolgt von aufwendigen PKs und Feierlichkeiten, zelebriert haben. Nach der vermeintlichen Ausbootung des 32-Jährigen geraten die Verantwortlichen allmählich in die Bredouille. Darauf angesprochen bekräftigte Präsident Koç jüngst, dass es kein Problem zwischen Trainer und Spieler gäbe. "Er ist zu uns gekommen, um der Anführer dieser Mannschaft zu werden und Fenerbahçe nach sieben Jahren wieder zum Meister zu machen und er wird das auch schaffen", so die Worte des Präsidenten. Zwischen den Zeilen spielt er dennoch auch indirekt auf die Rolle des gebürtigen Gelsenkircheners an, denn von der Rolle des Anführers auf dem Platz fehlt jede Spur.

Ob sich das Verhältnis in naher Zukunft bessert, ist äußerst ungewiss, zumal die Ausbootung des Weltmeisters mehr auf das Spielsystem zurückzuführen ist als auf Özil selbst. Mit der Frust-Aktion am Wochenende könnte der Affront nun auch auf die persönliche Ebene abdriften, was die Position weiter schwächen würde. In der Türkei nicht unüblich, könnte nun, sofern Özil weiterhin außen vor bleibt, auch die Führung um Koç Druck auf Pereira ausüben. In dem Fall würde man jedoch einen weiteren Konflikt mit dem Trainer riskieren, was angesichts der aktuellen sportlichen Entwicklung alles andere als klug wäre. Wie sich die Thematik weiter entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Im Moment spricht so ziemlich alles gegen Özil, weshalb die Stimmung, sollte der Weltmeister weiterhin keine Rolle spielen, in Kadıköy wohl bald kippen und ungemütlich werden könnte.

Foto: Alex Grimm/Getty Images