Şenol Güneş nutzte die Nations League bisher eher zum Tüfteln und Ausprobieren. Während die Ergebnisse zu wünschen übriglassen, dürften die Erkenntnisgewinne für den Trainer wichtiger sein. Gegen Serbien wäre ein Sieg zwar wünschenswert, ausgerechnet jetzt droht allerdings ein wichtiger Akteur auszufallen.

Viele Fußballfans lehnen die Nations League rundheraus ab. Überflüssig, unnütz und undurchsichtig sei sie, nehme den Schwung aus dem Vereinsfußball und habe nicht die nötige Strahlkraft, um irgendwelche Emotionen zu generieren. Zugeben würde Şenol Güneş es sicher nie, aber auch bei ihm kann man ab und zu das Gefühl bekommen, dass die Nations League für ihn keine große Relevanz hat, sondern er sie eher als eine Reihe von Testspielen begreift. In den Partien nach der Corona-Pause setzte der Trainer jedenfalls nie auf seine formelle Stammelf, sondern nutzte die Gelegenheit, um potentiellen Herausforderern die Chance zu geben, sich zu zeigen. Die einen, wie Orkun Kökçü oder Efecan Karaca, konnten diese Chance nutzen, andere, wie Ahmed Kutucu oder Mert Hakan Yandaş, erwischten dabei eher einen durchwachsenen Tag. Während der Trainer also wertvolle Einblicke erhielt, ließ die Punkteausbeute zu wünschen übrig: zwei Punkte nach drei Spielen gegen gleichwertige oder schwächere Teams sind eher ernüchternd. Trotzdem spricht einiges dafür, dass Güneş auch gegen Serbien wieder eine neu zusammengestellte Elf auf das Feld schickt.

Engpass in der Abwehr droht

Teilweise wird das allerdings auch nicht ganz freiwillig geschehen. Der hochgelobten Viererkette droht der verletzungsbedingte Ausfall von Abwehrchef Çağlar Söyüncü. Sollte der 24-Jährige nicht spielen können, müsste wohl eine Aushilfslösung her, da seine eigentlichen Vertreter Ayhan und Kabak nicht mehr im Kader stehen. Mert Müldür oder Mahmut Tekdemir wären dann die ersten Kandidaten. Letzterer würde zwar im Mittelfeld fehlen, die Auswahl ist hier allerdings besonders groß. Dauerbrenner Ozan Tufan, Okay Yokuşlu, Orkun Kökçü und Dorukhan Toköz stünden als Sechser oder Achter bereit.

Dezente Systemänderung

Auffällig war zuletzt allerdings auch, dass der Nationaltrainer sein System einer dezenten Wandlung unterzog. Statt des 4-1-4-1 bzw. 4-3-3 aus der EM-Qualifikation setzte Güneş zuletzt auf ein klassisches 4-2-3-1. Auf dem Feld sah das dann so aus, dass ein klarer Sechser (Yokuşlu, Tekdemir oder Ayhan) und Box-to-Box-Spieler Tufan hinter und neben einem freien Spielmacher auf der Zehnerposition aufräumten. Zwar probierte Güneş hier auch Kökçü und Yazıcı, prädestiniert ist diese Rolle aber natürlich für den Spieler, der die Zehn auch auf dem Rücken trägt. Hinter der Spitze kann Hakan Çalhanoğlu einen noch größeren Einfluss auf das Spiel nehmen, während die Flügel von schnellen Außenstürmern besetzt werden. Neben den gelernten Flügelspielern Karaca, Ünder und Ömür, konnte sich hier Kenan Karaman in den Vordergrund spielen. Zwar blieb der Düsseldorfer über weite Teile seiner Spielzeit eher blass, avancierte durch seine zwei Treffer allerdings gleich doppelt zum (Beinahe-)Matchwinner. Gerade auf den Außen könnte der Trainer allerdings noch weiter tüfteln, um auch den Akteuren aus der zweiten Reihe eine (erneute) Chance zu geben. Auch im Sturmzentrum enttäuschten die bisher eingesetzten Spieler, weshalb eine Rotation Sinn ergeben würde.

Auch Serbien mit Fokus auf die EM

Aktuell deutet einiges darauf hin, dass Şenol Güneş auch angesichts der hohen Belastung wieder eine Mischung aus Stammspielern und Herausforderern aufs Feld schickt. Ob das gegen Serbien reicht, sei dahingestellt. Auch der Gegner setzt allerdings ähnliche Prioritäten: nachdem man sich jüngst in den Playoffs der EM-Qualifikation gegen Norwegen durchgesetzt hatte, folgte ein schmuckloses 0:1 gegen Ungarn in der Nations League. Auch bei Serbien liegt der Fokus wohl klar auf dem Turnier im nächsten Sommer.

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