Mit der Rückbesinnung auf hauseigene Tugenden wollte Beşiktaş an vergangene Erfolge anknüpfen. Doch die Lager im Klub sind so gespalten wie nie. Der Machtkampf zwischen Trainer Sergen Yalçın und dessen Bruder gegen das Klub-Präsidium um Ahmet nur Çebi schadet den "Schwarzen Adlern" auf allen Ebenen.

Weniger Investitionen für teurere Stars, dafür wieder mehr auf Spieler aus der eigenen Jugendakademie setzen; schlicht: Wieder mehr Beşiktaş sein – so lautete die Devise der "Schwarzen Adler" im vergangenen Frühjahr für die mittelfristige Zukunft. Mit Sergen Yalcin verpflichtete Besiktas dafür eine Klub-Legende als Trainer, die den eingeschlagenen Weg verkörpern und mittragen soll. Allerdings ist aus dem gemeinsamen Nenner von vor einem halben Jahr mittlerweile ein irreparabler Zwischenergebnis entstanden. Sowohl sportlich als auch strukturell und ideologisch liegt der Klub am Dolmabahçe-Palast weit weg von eigenen Anspruch.

Sportlich zeigt sich das beim frühen Ausscheiden in der Europapokal-Qualifikation und dem derzeitigen 15- Tabellenplatz in der Süper Lig. Strukturell gilt es einen Blick hinter die Fassade am Vodafone-Park zu werfen, um das ganze Ausmaß der zum Großteil selbst verschuldeten Krisen-Situation zu begreifen. Die Unruhe im und um den Klub ist hausgemacht.

Ahmet Nur Çebi gegen Sergen Yalçın

Der nunmehr seit einem Jahr als Präsident waltenden Ahmet Nur Çebi hat Trainer Sergen Yalçın zwar selbst im Klub installiert, doch die Gräben zwischen den beiden Hauptverantwortlichen waren gegenwärtig nie tiefer. Es geht vor allem um Macht. Während Trainer Yalcin eine Ideologie verfolgt und gerne das englische Modell als Trainer und Sport-Manager in Personalunion ausführen würde, hat sich Çebi in den vergangenen Monaten zahlreiche Vertrauenspersonen um sich gescharrt, um seine persönliche Position nicht zu gefährden. Besonders im abgelaufenen Transferfenster wurden die gegenseitigen Auffassungen ersichtlich.

Welche Rolle spielt Gürsoy Yalçın?

Sergen Yalçın erklärte fast schon zynisch, kaum einen Transfer-Wunsch vom Präsidium gestellt bekommen zu haben und deshalb nicht für die öffentlich kritisierte Transferpolitik als "schwarzes Schaf" beschuldigt werden dürfe. Gleichzeitig kritisierte der Übungsleiter die interne Kommunikation im Klub, die vorwiegend gar über die Medien ausgetragen werden würde. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Sergen Yalçın mit seinem Bruder Gürsoy versucht, ein eigenes Spiel zu spielen. Der als Spielanalyst "getarnte" Gürsoy fungiert im Hintergrund eher für beratende und helfende Hand Sergens bei Verhandlungen mit Spielern, was wiederum eigentlich einem Mitglied des Vorstands obliegt. Offenbart hat sich das ganze Dilemma bei der Leihe von Atlético-Verteidiger Francisco Montero. Der Transfer des 21-jährigen Abwehrspielers soll bereits Wochen vor der finalen Einigung quasi fix ausgehandelt worden sein, jedoch beanspruchte sowohl die Sergen-Gürsoy-Seite als auch die Präsidums-Seite um Çebi den erfolgreichen Transfer als jeweils eigenen Verdienst.

Auf dem Rasen bekommt man von den intern geführten Machtkämpfen fast nichts mit, nur das etwas schwer im Argen liegt, ist klar ersichtlich. Die jüngsten, sogar historischen, Niederlagen (1:4 in Konya und 0:1 gegen Gençlerbirliği) sind die Konsequenz der eigenen Fehler. Inwiefern ein gemeinsames Miteinander aus der sportlichen Krise zu bewältigen ist, bleibt zur Stunde fraglich.