Trotz der rasanten Ausbreitung des Coronavirus will der türkische Fußballverband den Spielbetrieb aufrecht erhalten. Bis Ende April soll die Süper Lig ausschließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Eine Vorstellung, die nicht umsetzbar ist. LIGABlatt-Redakteur Mario Herb meint: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Ball auch in der Türkei ruht.

Anstatt vor rund 50.000 Zuschauern im Türk Telekom Stadyumu findet das 347. Istanbul-Derby zwischen Galatasaray und Beşiktaş am Sonntagabend vor einer Geisterkulisse statt. Der jeweilige Team-Staff, rund 25 akkreditierte Journalisten, Vertreter des Verbandes – das war’s; keine frenetischen Fans auf den Rängen. Die dynamische Entwicklung des grassierenden Coronavirus bringt den Sport fast weltweit zum Stillstand. Nur in wenigen Ländern ist der Spielbetrieb an diesem Wochenende noch in Gang. In Europa sind das aus den Top 20-Ligen Russland, Serbien – und eben die Türkei.

Der türkische Fußballverband plant bis Ende April alle Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen. Das allerdings ist eine Lösung auf Zeit. Stand Sonntag Vormittag hat die Türkei lediglich einen einzigen Corona-Fall zu vermelden – im Vergleich zu anderen Staaten in Mitteleuropa geradezu skurill. Dazu: Während in Italien mit Juves Rugani oder Dybala, in England mit Chelseas Hudson-Odoi oder in Deutschland mit Paderborns Kilian Infektionen auch in den Profi-Mannschaften auftraten, hat es in der Türkei bis jetzt keinerlei Anzeichen für ein ähnliches Szenario gegeben. Nichtsdestotrotz zeigen die Hygiene-Maßnahmen in Stadien, wo Mitarbeiter von Virologen Sitze, Kabinen und die Kioske desinfizieren oder die Schließung der Nachwuchsleistungszentren, dass die Lage ernst ist. Sollte sich auch nur ein Verdachtsfall in den Kaderreihen der türkischen Süper Lig-Klubs bestätigen, wird der Verband den Spielbetrieb nicht mehr aufhalten können.

Hintergrund: Türkischen Klubs droht bei Abbruch der finanzielle Kollaps 

Dass dieser überhaupt noch fortgesetzt wird, ist neben der noch ausstehenden Infektionswelle vor allem auf die finanziellen Einbrüche zurückzuführen, die es bei einem vorzeitigen Liga-Abbruch geben würde. Bereits jetzt sind die Geisterspiele mit den fehlenden Zuschauereinnahmen ein Ruin-Geschäft für die ohnehin finanziell ausgereizten türkischen Klubs. Geisterspiele gewähren den Vereinen aber immerhin noch das überlebenswichtige TV-Geld. TFF-Mann Nihat Özdemir bestätigte bereits, dass mit dem Hauptvertragspartner beIN Sports Gespräche über eine mögliche Aussetzung und Weiterfinanzierung laufen. Ausgang: offen! Fehlt den Klubs dieses Geld, ist der gesamte türkische Fußball endgültig bankrott.

Alles hängt nun davon ab, ob sich die Pandemie des Coronavirus in der Türkei einigermaßen zurückhalten wird. Der Druck auf den Verband aus dem In- wie Ausland, den Spielbetrieb aus vorsorglicher Sicht zu unterbrechen, steigt dennoch. Auch die Top-Stars der Liga sprechen sich für ein zeitweises Aussetzen aus: So haben Trabzons John Obi Mikel und Galatasarays Radamel Falcao bereits ihr Unverständnis wegen der Fortsetzung des Ligabetriebs über ihre Social Media-Kanäle öffentlich Kund getan.