Auch nach dem ersten großen Derby der Saison und dem vermeintlichen Topspiel zwischen Trabzonspor und Beşiktaş am vergangenen sechsten Spieltag, fällt es schwer den weiteren Saisonverlauf vorherzusagen. Die Topteams schwanken (noch) und einige Außenseiter machen auf sich aufmerksam.

Die klarste Tendenz ist derzeit bei den "Schwarzen Adlern" zu erkennen. Sehr zum Leidwesen seiner leidenschaftlichen Fans blieb Beşiktaş bisher im Prinzip alles schuldig und befindet sich mit fünf Punkten, minus vier Toren und Platz 16 aktuell im akuten Sinkflug. Trainer Abdullah Avcı muss um seinen Job bangen, da sein Kredit auch wegen der peinlichen Niederlage gegen Bratislava in der Europa League aufgebraucht ist. Nach sechs Spieltagen ist natürlich noch nichts verloren, das aktuelle Auftreten und ein Blick auf den Kader lassen aber vermuten, dass auch die nähere Zukunft Abstiegskampf bzw. bestenfalls Stabilisierung statt Meisterschaftsrennen heißt.

Fenerbahçe aktuell im Soll

Deutlich besser sieht es dagegen beim Stadtrivalen aus Kadıköy aus. Nach einer Saison zum Vergessen gab es bei Fenerbahçe einen personellen Neuanfang im ganz großen Stil. Deutlich mehr als ein Dutzend Spieler wurden verkauft, verliehen, aus bestehenden Verträgen entlassen oder nicht mit neuen ausgestattet. Im Gegenzug wurden gut ein Dutzend neue Spieler verpflichtet. Der Umbruch verlief bisher besser als erwartet. Mit gleich sieben neuen oder zurückgeholten Spielern traten die "Kanarienvögel" im Derby an, mit Deniz Türüç und Garry Rodrigues kamen dazu zwei weitere Neuzugänge bereits auf viele Minuten. Einzig Adil Rami und Murat Saglam spielen noch keine bzw. bisher keine gute Rolle. Aktuell grüßt der 19-malige Meister vom zweiten Platz. Neben überzeugenden Auftritten stehen aber auch eine verdiente Niederlage gegen Spitzenreiter Alanyaspor und ein glücklicher Last-Minute-Sieg gegen den Nachbarn Başakşehir zu Buche. Aktuell macht Fener trotz einiger Verletzungssorgen den stabilsten Eindruck unter den Favoriten, aber auch hier gibt es noch viel Luft nach oben.

Die "Löwen" wachen langsam auf

Von Stabilität ist "Cimbom" noch ein Stück entfernt und steht derzeit mit neun Punkten auf Platz 7. Trotzdem ist davon auszugehen, dass Galatasaray nun langsam aber sicher wieder in Tritt kommen wird. Das Hickhack um Falcao wurde mit einem Happy End abgeschlossen, Spielmacher Belhanda ist wieder fit und gerade Mittelfeld und Sturm warten mit einigen vielversprechenden Spielern auf, die im Laufe der Saison mit Sicherheit eine gute Rolle spielen werden. Der Kampf um den Titel wird erneut nur über die "Löwen" gewonnen werden. Als kleiner Nachteil für die Gelb-Roten könnte sich dabei eine Belohnung der letztjährigen Meisterschaft entpuppen: in der Champions League muss man gegen Hochkaräter wie PSG und Real Madrid ran. Es gibt sicher einfachere Doppelbelastungen.

Erfolgreiche Außenseiter und ein Überraschungsspitzenreiter

Natürlich besteht die Süper Lig aus mehr als drei Teams. Der letztjährige Zweite Başakşehir verfügt über einen interessanten Kader und scheint nach einem katastrophalen Saisonbeginn langsam wieder in die Spur zu kommen. Trabzonspor konnte jüngst gleichzeitig Beşiktaş ärgern und sich seiner Sorgen vorerst entledigen. Platz 4 muss dabei nicht das Ende der Fahnenstange sein, auch wenn mit Abdülkadir Ömür der Shootingstar noch bis in die Rückrunde ausfallen wird. Und dann sind da ja noch die kleinen großen Überraschungsmannschaften: Alanyaspor ist noch ungeschlagen und steht sensationell an der Spitze der Liga. Nicht minder überraschend ist der dritte Platz für Aufsteiger Gazişehir Gaziantep. Seit der deutlichen Niederlage gegen Fenerbahçe hat der Außenseiter nicht mehr verloren und dafür nach einem Sieg gegen Beşiktaş schon zwei der drei ganzen großen Gegner hinter sich. Dass sich die Außenseiter auch am Ende der Saison noch in den Top 4 befinden, wäre zwar äußerst überraschend, eine gute Rolle können sie aber durchaus spielen, wenn sie weiterhin ihr Spiel durchziehen. Die aktuelle Saison ist also so unvorhersehbar wie lange nicht mehr. Neben einem strauchelnden Favoriten und zwei weiteren Topteams mit schwankenden Leistungen sorgen die "Kleinen" dafür, dass die Süper Lig in diesem Jahr einige Spannung verspricht.

Foto: Ozan Kose/Getty Images